Freitag, 30. Dezember 2016

Wider der Zahlenmystik!

Ich möchte gerne etwas zu dem Buch "Gottes geheime Formel" von Peter Plichta sagen. Für die faulen Leser, hier eine Zusammenfassung:

Ganz kurz: Peter Plichta setzt uns ein Kartenhaus vor, das einem wissenschaftlichen Anspruch nicht gerecht wird und unter kritischer Betrachtung ohne jeden Widerstand in sich zusammenstürzt.

Es fängt ganz harmlos an: Er möchte erklären, was die Grundlage der Welt ist und dies auch umfänglich begründen. Dabei zieht er sich auf das sogenannte "Primzahlkreuz" (der Name ist irreführend; es handelt sich um das Kreuz derjenigen Zahlen, die nicht durch 2 oder 3 teilbar sind) und das Pascal'sche Dreieck zurück. In diesen beiden simplen Zahlenstrukturen entdeckt er einige einfach zu beweisende, arithmetische Zusammenhänge, die nicht zu beanstanden sind.

Aber dann: Das Problem beginnt danach: Da er von der Wichtigkeit der Primzahlen und des Dezimalsystems implizit ausgeht, versucht er, jede gefundene Formel in einen solchen Zusammenhang zu stellen. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, nach Belieben die Regeln zu ändern (etwa, 2 und 3 nicht als Primzahl zu werten, dafür jedoch -1 und 1, Zahlen doppelt zu zählen um auf eine runde Summe zu kommen, nach Belieben Zeilen im Dreieck eine Wichtigkeit zuzuweisen). Beweise dafür gibt er jedoch nicht; die Zusammenhänge werden als göttliche Fügung vorgestellt (obgleich sie alle aus den starren Regeln der Arithmetik folgen). Eine gefundene Formel untersucht er mithin nicht darauf, ob sie in ähnlicher Weise auch für andere Zahlen gilt; nur seine Lieblingszahlen sind von Belang.


Aber dann: Eifrig weist er folgend darauf hin, dass ähnliche Effekte auch auftauchen, wenn man manche (!) Objekte der realen Welt mitsamt ihren Maßzahlen vereinfacht darstellt (etwa Rundungen oder spezielle Auswahl entsprechender Größen, vereinfachte physikalische Gesetze, grobe Gruppierungen) oder diese der Reihe nach zählt. Selbst mathematische Konstanten wie e zerlegt er (mit der bekannten Reihendarstellung) in natürliche Zahlen, was er als Zusammenhang zum "Primzahlkreuz" deutet, da auch dort natürliche Zahlen auftauchen. So kommt es, dass er die Dauer eines siderischen Monats, den absoluten Temperaturnullpunkt, die kosmische Hintergrundstrahlung und in letzter Konsequenz den genauen Wert von pi auf einen einzigen gemeinsamen Ursprung zurückführen möchte, weil er fest davon ausgeht, dass es einen einfachen Grundbauplan geben muss.

Sagt jeder in der ganzen Stadt: "Typisch PP!": Sein Argument ist dabei stets eine Abart von "cum hoc ergo propter hoc": Er selbst würde die Welt nach einem einfachen Plan bauen, für den ihm Primzahlen prädestiniert erscheinen, und sowohl im "Primzahlkreuz" als auch in den von ihm ausgewählten realen Objekten kommen ähnliche Zahlenspielereien vor - deswegen muss das "Primzahlkreuz" als Grundlage allen Seins "bewiesen" sein. Mit der von ihm oft angesprochenen Logik hat dies bekanntlich nicht viel zu tun. Er zeigt lediglich auf, wie man mit viel Mühe an manchen Orten des Universums einfache Zahlenformeln finden kann (was nicht erstaunlich ist, da man vieles zählen kann). Umfassende, kompliziertere Theorien lehnt er kategorisch ab und bezeichnet sich wahlweise als lächerlich, naiv oder elitären Versuch, die Mystik aus der Welt zu verbannen. Er setzt dogmatisch voraus, dass alles in der Welt einfach, das heißt, durch kleine natürliche Zahlen gesteuert sein muss.

Er ist der Größte, der Beste, der schrägste Zahlenmystiker und Weltverdreher: Betrachtet man zudem noch, wie eifrig er den aktuellen Wissenschaftsbetrieb verdammt, wie er grundlegende Erkenntnisse und weithin gestützte Theorien der Physik (Welle-Teilchen-Dualismus, Raumzeit, Ausdehung des Kosmos, den Wert der Lichtgeschwindigkeit, subatomare Teilchen unterhalb des Protons), der Chemie (die genaue Anzahl der stabilen Elemente (Wismut ist nicht stabil), die Erkenntnisse über Elektronenorbitale und den Teilchenspin, Betrachtungen zur Kernstabilität, die Existenz auch instabiler Elemente) und der Biologie (Evolution) ablehnt, wie er komplizierte soziale Konstrukte verquer in stets 3 Teile gliedern möchte, und wie er die Euler'sche Formel "begründet", indem er die Anzahl der auftretenden Konstanten zählt und diese über graphische Analogien mit dem "Primzahlkreuz" zwanghaft in Verbindung bringt, so bleibt von dem ganzen Buch nichts weiter übrig als der traurige Beweis, dass ein Doktortitel nicht davor schützt, sich in einer fixen Idee zu verfangen und den Kontakt zur Realität und zur Logik gleichermaßen völlig zu verlieren.

Fazit: Finger weg von diesem Buch, sollte es nicht tatsächlich nur als reine Satire gedacht sein.

Sonntag, 11. Dezember 2016

Mittelpunktdreiecksfiguren

Wollen wir also die Früchte ernten, die wir uns ersehnt und definiert haben! Beispiele mit kleinen Zahlen, schön und gut, aber um die $\mathcal T_{18273273992883929810212}$ zu bezwingen, müssen wir der Sache auf den Grund gehen. Die einzelnen Beweise lassen sich vielfach intuitiv leichter fassen als abstrakt, man halte also stets eine Skizze bereit. Allerdings möchte ich vesuchen, einen vollständigen Beweisgang anzugeben, weshalb ich nicht auf Phrasen wie "aus Symmetriegründen gilt" oder "wie man leicht sieht" oder gar "wie soll es denn auch sonst sein" zurückgreifen möchte. Auch möchte ich geometrisch argumentieren und nicht zahlentheoretisch oder kombinatorisch. Man möge mir verzeihen.

3. Beweise

Widmen wir uns also der Frage aller Fragen:

$\mathbb T \subset \mathbb M$ (besitzt jedes T-Konstrukt die Mittelpunkteigenschaft)?

T-Konstrukte

Liebe Leute, gestern habe ich ein paar schöne Bilder zur Tetraktys auf den Markt geworfen und mich ein wenig darüber ausgelassen, wie schön bunt das Leben ohne Mathematik ist, wie wenig man aber letztendlich weiß. Man mag sich an schönen Bildern ergötzen, man mag sogar so abgedreht sein, dass man sich für spezielle zahlentheoretische Eigenschaften erwärmen kann, mich aber interessiert viel mehr, warum es zu diesen Erscheinungen kommt, was also eine unterliegende Ursache ist. Wissen mag nicht unbedingt Macht sein, aber Nicht-Wissen ist öde. In diesem Sinne: lasst uns eine solide Basis schaffen, um die Tetratetraktys (rechts im Bild) zu verstehen!

Samstag, 10. Dezember 2016

Zahlenmystik

Hach, was macht man nicht alles auf seine alten Tage! Wenn man schon keine ordentlichen mathematischen Ergebnisse vorzuweisen hat, kann man wenigstens noch etwas darüber herausfinden, ob manche Zahlen oder Formen exzentrischer sind als andere. Die Pythagoräer haben das gemacht (aber man tut ihnen unrecht, wenn man sie darauf beschränkt, denn damals standen sie an der Front der Wissenschaft), auch heute gibt es darüber Ausführungen (mit einigen Körnchen Wahrheit, so wie in jedem Märchen), und manchmal gibt es sogar ganze Filme, die uns erklären, was wirklich hinter der Welt steckt (schaut es euch an, wenn ihr mögt, und berichtet mir davon). Ja, wenn die das können, dann kann ich das auch, also los!

1.Erste Beobachtungen

Wir befassen uns mit der Tetraktys, in der die Pythagoräer (laut Wikipedia) "den Schlüssel zum Verständnis der Weltharmonie" sahen. Nicht schlecht, oder? Muss recht toll sein, doch was ist es? Schaut:


Samstag, 3. Dezember 2016

Geometrische Variation

Wisst ihr, wieso ich angefangen habe, Mathematik zu studieren? Weil ich (als einer von wenigen, wie mir scheint) Spaß an der Geometrie hatte (und noch immer habe). Leider, leider, sind elementar-geometrische Überlegungen (zumindest bei uns) nicht Bestandteil des Studiums (da gibt es nur trivial-geometrische Überlegungen, nervige Vektorrechnung und Integration möglichst komplizierter Funktionen). Offenbar ist das aber in der didaktischen Ausbildung anders; zumindest hat letzten Donnerstag ein Didaktiker einen Vortrag über das Lösen geometrischer Aufgaben gehalten – und ich mag nun hier darüber berichten, weil es so schön ist.

Die Aufgabe

Gegeben seien drei parallele, von einander verschiedene Geraden in der (euklidischen) Ebene. Die Aufgabe besteht nun darin, ein Quadrat ABCD zu konstruieren, von dem drei Ecken auf drei verschiedenen Parallelen liegen.

Mittwoch, 16. November 2016

Eine Gute-Nacht-Abschätzung

In einer (ziemlich komplizierten) Arbeit bin ich letztens auf eine kleine, süße Abschätzung getroffen, die man mit einer kleinen, netten Idee (oder aber auch mit einer langweiligen Fallunterscheidung) begründen kann. Es handelt sich um die folgende Kleinigkeit: Für reelle Zahlen $a$ und $b$ gilt:
$$|a| \geq |b| \quad\Longrightarrow \quad a(a-b) \geq 0.$$ Wollen wir sie einmal beweisen!

Möglichkeit 1: Das, was man immer mit Beträgen macht

Es mag verlockend sein, diese Ungleichung zu beweisen, indem man unterscheidet, ob $a$ positiv oder negativ ist, damit man aus der Bedingung $|a| \geq |b|$ die Vorzeichen des Faktors $a-b$ bestimmen kann. Das ist eine ziemlich langweilige Methode, aber sie führt geordnet zum Erfolg. Insbesondere für diejenigen unter uns, die noch keinen "Blick" dafür entwickelt haben, wie man effektiv (und schön!) an eine Aufgabe heran geht, mag das eine gute Präsentation sein.

Also ran ans Werk! Das Produkt $a(a-b)$ ist bekanntlich genau dann nicht-negativ, wenn die beiden Faktoren $a$ und $a-b$ dasselbe Vorzeichen haben. (Merke: $0 = -0$, somit hat $0$ beide Vorzeichen.) Wir unterscheiden daher naheliegend zwei Fälle:

Fall 1: Zuerst nehmen wir an, dass $a\geq 0$ gilt. In diesem Fall müssen wir $a-b\geq 0$ belegen, umgestellt ist demnach $a\geq b$ zu zeigen. Diese Ungleichung erhalten wir jedoch locker-flockig aus der Voraussetzung:
$$ a = |a| \geq |b| \geq b.$$ Dabei mussten wir lediglich (die auch andernorts nützliche) Ungleich $x\leq |x|$ einsetzen, die für jede reelle Zahl $x$ gilt.
Fall 2: Nun nehmen wir an, dass $a<0$ gilt und müssen entsprechend $a-b\leq 0$, das heißt, $a\leq b$ zeigen. Das Vorgehen ähnelt nun dem obigen, aber wir benötigen nun, dass $a = -|a|$ gilt und dass $-|x|$ stets eine untere Schranke für $x$ ist: $$ a = -|a| \leq -|b| \leq b.$$ Damit sind wir fertig, denn in beiden Fällen folgt $a(a-b) \geq 0$.

Möglichkeit 2: Funktionales Denken

Betrachtet man Ungleichungen zwischen reellen Zahlen, so lassen sich diese oft in geeigneter Weise durch Funktionen darstellen, die ein anschauliches Bild der Situation liefern. Hat man dieses Bild im Kopf, braucht man sich nicht die lästige Fallunterscheidung zu merken, die weit weniger fassbar ist.

Bei unserer Ungleichung hilft uns eine quadratische Funktion $q$, und zwar die Funktion
$$q\colon \mathbb R\to \mathbb R,\quad x\mapsto (x-x_1)(x-x_2)$$ mit den beiden (nicht notwendig verschiedenen) Nullstellen $x_1$ und $x_2$. Diese hat als Graph eine nach oben geöffnete Parabel, die – man beachte auch das Monotonieverhalten! – außerhalb des Intervalls $\lfloor x_1,x_2\rceil$ nur positive Werte annimmt. Die Zeichenkette $\lfloor x_1,x_2\rceil$ bezeichnet dabei alle Zahlen zwischen $x_1$ und $x_2$, also
$$\lfloor x_1,x_2\rceil = [\min(x_1,x_2),\max(x_1,x_2)].$$ Möchte man dieses (nun hoffentlich reaktivierte Wissen, dessen man sich auch mit einer kleinen Rechnung vergewissern kann) auf den obigen Term $a(a-b)$ anwenden, so muss man ihn lediglich als Funktionsterm einer Funktion in Abhängigkeit von der Variablen $a$ mit gegebener Konstante $b$ betrachten, also als Funktion
$$q\colon \mathbb R\to \mathbb R,\quad a\mapsto (a-0)(a-b).$$ Nun wissen wir, dass $a(a-b)\geq 0$ gilt, falls $a\in \lfloor 0,b\rceil$. Da diese Bedingung allerdings kaum ästhetisch ist, suchen wir eine andere – und dies ist eben die Bedingung $|a| \geq |b|$. Wieso diese hinreichend (aber nicht notwendig) ist, sieht man am besten anhand der folgenden Graphik, die auch wunderbare als Merkhilfe dient, da man an ihr ohne jede weitere Rechnerei die gewünschte Abschätzung ablesen kann. P ist der Punkt $(|b|,0)$, Q der Punkt $(-|b|,0)$.


Möglichkeit 3: Geschicktes Addieren einer Null

Wer noch immer nicht schlafen kann, der darf sich jetzt mit einem kleinen Trick anfreunden, der ebenfalls häufig die zielführende Idee ist: Man formt den Term $a(a-b)$ so lange um und addiert und subtrahiert Terme, die sich gegenseitig aufheben, bis man die gewünschte Ungleichung durch eine einfache Abschätzung erhält. Diese einfachen Abschätzung sind dabei nichts anderes als die beiden Fakten $x^2 \geq 0$ und $x\geq 0 \Rightarrow cx\geq 0$ (falls $c\geq 0$). Lang gesagt und lang geschrieben: Es gilt offensichtlich
$$a(a-b) = \frac 12 (a^2 + a^2 - 2ab) = \frac 12 (a^2 + (a-b)^2 - b^2) $$ und daher gilt $a(a-b)\geq 0$, falls
$$\frac 12 (a^2 + (a-b)^2 - b^2)  \geq 0$$ und das gilt wiederum – weil wir mit $2$ multiplizieren können und weil $(a-b)^2$ nicht-negativ ist –, falls
$$a^2 - b^2 \geq 0.$$ Diese hinreichende Bedingung ist schließlich äquivalent zu unserer Voraussetzung: bringe $b^2$ nach rechts und ziehe die Wurzel, dann bleibt nur
$$|a| \geq |b|.$$
Verallgemeinerung

Die letzte Möglichkeit scheint nun nicht sehr angenehm zu sein, da hier keine kleinen Schritte zum Erfolg führen (wie das bei der ersten Möglichkeit der Fall war) und da es auch keine einfache, anschauliche Idee gibt (wie bei der zweiten Möglichkeit). Man musste vielmehr schon am Anfang wissen, was man am Ende heraushaben möchte, um den Beweisgang aufschreiben zu können.

Allerdings ist der hier aufgeführte Beweis nur das, was am Ende übrig bleibt! Befasst man sich das erste Mal mit der Beweisfindung, so hat man höchstens die Hoffnung, dass die Grundidee "Umformen und Abschätzen" zum Erfolg führt, und bastelt dann eine ganze Weile an den Argumenten, bis alles so wunderbar passt wie in der finalen Version. Also keine Angst vor scheinbar genialen Beweisen – die meisten von ihnen sind nicht Ausgeburt eines Genies, sondern das Werk von langer Arbeit und viel Erfahrung.

Damit wissen wir zumindest, warum die dritte Möglichkeit nicht per se schwieriger ist als die ersten beiden – und nun erfahren wir noch, was ihr Mehrwert ist: Sie kann ohne Mühe auf mehrere Dimensionen verallgemeinert werden, und zwar gilt für Vektoren $a$ und $b$:
$$|a| \geq |b| \quad\Longrightarrow \quad a(a-b) \geq 0.$$ Dabei bezeichnet $|x|$ die euklidische Norm des Vektors $x$, gegeben durch
$$|x|^2 = \sum_k x_k^2,$$ und das Produkt $xy$ zweier Vektoren $x$ und $y$ ist das euklidische Skalarprodukt
$$xy = \sum_k x_ky_k.$$ (Dabei läuft der Summationsindex $k$ kanonisch über alle Indices, die möglich sind. Ist also $x$ ein Vektor im drei-dimensionalen euklidischen Raum, so läuft $k$ von $1$ bis $3$, und ist $x$ eine Folge, deren euklidische Norm existiert, so läuft $k$ von $1$ bis $\infty$.)

Der Beweis verläuft nun faktisch exakt so wie eben gezeigt, indem wir wie folgt umformen:
$$2a(a-b) = 2\sum_k a_k^2 - a_kb_k = \sum_k a_k^2 + \sum_k (a_k-b_k)^2 - \sum_k b_k^2 \geq |a|^2 - |b|^2.$$ Die Schlussfolgerung ist offensichtlich und ich wünsche eine gute Nacht. :)

(Wer nicht schlafen kann, kann sich ja am Verständnis der Arbeit versuchen, in der ich diese kleine, nette Abschätzung auf Seite 4, ganz oben, gefunden habe. Viel Spaß damit.)

Freitag, 28. Oktober 2016

Die zehn Angebote

Vor einiger Zeit habe ich ein kleines Büchlein gelesen, das Manifest des evolutionären Humanismus. Die Ideen, die in ihm vereint sind, stehen sicherlich jedem Menschen gut und ich lege jedem die Lektüre ans Herz. Im Anhang des Buches (auf den Seiten 156 bis 159 und auch online einsehbar) finden sich, als Zusammenfassung ethischer Richtlinien in kompakter Form,

Die zehn Angebote des evolutionären Humanismus

Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass es jedem Einzelnen überlassen sei, "diese Angebote angstfrei und rational zu überprüfen, sie anzunehmen, zu modifizieren oder gänzlich zu verwerfen." Ich nehme diese Einladung an und wage mich an eine Modifikation in meinem eigenen Sinne.

Die folgenden zehn Punkte sind als Angebot zu verstehen, das Leben nach ihnen zu richten. Fühle dich frei, sie zu durchdenken und anzupassen, wenn es dir notwendig erscheint.

1. Dein Platz in der Welt

1.1. Betrachte die Welt als Ansammlung von Mustern, die entstehen und vergehen, ohne einem Objekt einen besonderen Status zuzuweisen.

Möchte man die Welt verstehen, so hilft es, ein grundlegendes Prinzip zu verinnerlichen: Das Universum ist nichts weiter als ein Ansammlung von Objekten, die miteinander nach einfachen Regeln interagieren. Dabei entstehen unweigerlich Muster, die, wenn sie stabil genug sind, erhalten bleiben. Dies erklärt, zumindest prinzipiell, den Lauf der Sterne, die Entwicklung der Arten, den Verlauf von Wetter und Börse.

Menschen sind nicht mehr als besonders komplexe Muster. Sie haben unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten, die ihre Interaktion bestimmen. Doch weder die Erde, die Menschheit, dein Land oder gar du selbst ist bedeutender als andere Objekte. Handle im Wissen, dass du auch der Stein sein könntest, den du gerade trittst.

Sonntag, 19. Juni 2016

Styx-Konvention

Kennt ihr das? Man hat gut zu tun mit seiner eigenen kleinen Welt, aber dann gibt es da noch andere Menschen, deren Welten mit der eigenen kollidieren, und zwar so lange, bis man sich getrieben sieht, sich mit ihrem Thema zu beschäftigen, obgleich man es gepflegt ignorieren wollte. Also dann. Widmen wir uns der

Styx-Konvention

Kurz gesagt: Um mögliche Missinterpretationen bei der Nutzung des generischen Maskulinums so gut es geht auszuschließen, besagt die Styx-Konvention (kurz für: Symmetrische Trennung von y und x):
  • Das Maskulinum wird für alle Wörter, die eine Form auf "-in" haben, nur noch generisch genutzt.
  • Möchte man einen männlichen Studenten ansprechen, ohne den generischen Student mittels Adjektiv zu modifizieren, so nutzt man das o-Femininum: die Studenton.
  • Alle anderen Wörter behalten ihr übliches Genus.
Dadurch wird der Fokus wieder auf den Begriff und nicht auf das Geschlecht gelegt.

Samstag, 9. April 2016

Ein spezielles Integral

Man kann sich als Nicht-Mathematiker gar nicht vorstellen, wie schön es ist, wenn sich nach einer langen Rechnung alle Terme gegenseitig kürzen und das Ergebnis einfach nur $0$ oder $1$ ist. Das mag auch daran liegen, dass man in der Schule meist nur Brüche kürzt:
\[\frac 54 \cdot \frac 85 = \frac{5\cdot 8}{4\cdot 5} = \frac 84 = 2.\] Das kann nicht einmal ich imposant finden. Ein besseres Beispiel ist das folgende

Spezielle Integral

Wir möchten etwas Zeit damit verbringen, das Integral
\[\int_0^\infty \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx\]zu berechnen. ("Warum?", fragt ihr? Als wäre das eine angebrachte Frage! Einfach so :)

1. Wohldefiniertheit

Bevor wir loslegen, überlegen wir uns, ob dieser Integralausdruck überhaupt sinnvoll ist. Es ist offensichtlich, dass wir über die Funktion
\[f\colon x\mapsto \frac{\ln(x)}{1+x^2}\]integrieren wollen, und zwar über dem Integrationsintervall $[0,\infty)$.

Am ersten Faktum irritiert uns nicht der Logarithmus $ln(x)$ – den müssen wir hinnehmen – sondern der Umstand, dass dieser im Nullpunkt gar nicht definiert ist. Am zweiten Faktum stoßen wir uns ein wenig an der Unendlichkeit, ohne genau zu wissen, wieso. Vielleicht ist es komisch, unendlich lange Funktionsgraphen zu betrachten, oder wir fragen uns, wie man denn $\infty$ in die Stammfunktion (falls wir denn eine finden) einsetzen sollen.

Die mathematisch korrekte Antwort für beide Fragen finden wir (im Rahmen der hier genutzten riemannschen Integrationstheorie) durch eine Einführung von Grenzwerten: Da wir wissen (sollten), wie Integrale über endlichen Intervallen $[a,b]$ mit $0 < a < b < \infty$ definiert sind, können wir dies nutzen, indem wir beschließen:

Das obige Integral ist ein uneigentliches Integral, das definiert ist über die Summe von Grenzwerten
\[\int_0^\infty \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx = \lim_{a\to 0+} \int_a^1 \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx + \lim_{b\to\infty}\int_1^b \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx,\]und zwar genau dann, wenn beide Grenzwerte existieren (also reelle Zahlen bezeichnen).

Diese Definition ist plausibel, wenn man bedenkt, dass es in der Mathematik üblich ist, unbekannte Größen durch bekannte zu approximieren: In diesem Fall das Integral mit komischen Grenzen durch Integrale mit normalen. Auch ist diese Definition konsistent mit dem Fall, dass eine weitere Funktion $g$ eigentlich ganz normal (zumindest im Nullpunkt) integrierbar wäre. Es gilt nämlich für solche $g$
\[\int_0^1 g(x) dx = \lim_{a\to 0+}\int_a^1 g(x)dx,\]wobei das linke Integral das normale und nicht das eben definierte uneigentliche ist.

Einzig verwunderlich dürfte die $1$ sein, die unmotiviert als obere bzw. untere Integrationsgrenze auftaucht. Man überlegt sich hier aber auch schnell, dass wir an ihrer statt jede andere Zahl $c$ mit $0<c<\infty$ hätten nehmen können: egal wie, der Wert des so definierten Integrals bleibt gleich.

2. Existenz

Als nächstes stellen wir uns die Frage, ob das Integral nach dieser Definition wirklich existiert. Wir möchten es nicht exakt berechnen, sondern nur wissen, ob sich die Mühe lohnt, nach dem genauen Wert zu suchen. Dies gelingt hier recht einfach durch eine Abschätzung.

Wir beginnen mit dem Integralteil nahe $0$, indem wir ein beliebiges $x \in (0,1]$ betrachten. Die Division durch $1+x^2$ tut in diesem Bereich nicht viel, was die Existenz des Integrals beeinflusst (wobei sie natürlich für den exakten Wert von Bedeutung ist), also werden wir sie schnell los:
\[\left|\frac{\ln(x)}{1+x^2}\right| \leq \frac{|\ln(x)|}{1} = -\ln(x).\]Die letzte Funktion können wir über jedem Intervall $[a,1]$ mit $a>0$ völlig normal integrieren, denn wir kennen eine Stammfunktion:
\[\int_a^1 -\ln(x)dx = \left[ x - x\cdot \ln(x)\right]_a^1 = 1 - \ln(1) - a + a\cdot \ln(a).\]
Der Logarithmus von $1$ ist natürlich $0$, und wenn $a$ gegen $0$ konvergiert, verschwindet auch der Term $-a$. Es bleibt nur die Frage, wie sich $a\cdot\ln(a)$ verhält. Dafür haben wir allerdings den famosen Satz von l'Hospital, der uns folgendes Ergebnis liefert:
\[\lim_{a\to 0+} a\cdot \ln(a) = \lim_{a\to 0+} \frac{\ln(a)}{a^{-1}} = \lim_{a\to 0+} \frac{a^{-1}}{-a^{-2}} = \lim_{a\to 0+} - a^{1} = 0.\]
Insgesamt kommen wir damit zu der Abschätzung
\[\lim_{a\to 0+} \int_a^1 -\ln(x)dx \leq \lim_{a\to 0+} 1 - a + a\cdot\ln(a) = 1.\]
Da $-ln$ eine integrierbare obere Schranke für $|f|$ ist, können wir daraus schlussfolgern, dass
\[\int_0^1 \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx = \lim_{a\to 0+}\int_a^1 \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx\] existiert und dem Betrage nach ebenfalls durch $1$ beschränkt ist.

3. Zwischenbemerkungen

Durch eine partielle Integration können wir unser Integral, das über eine nicht stetig fortsetzbare Funktion gebildet wird, auf stetig fortsetzbare Funktionen zurückführen:
\[\int_a^1 \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx = \left[\ln(x)\cdot\arctan(x)\right]_a^1 - \int_a^1 \frac{\arctan(x)}{x}dx.\]Das ist irgendwie nett und wer mag, kann gerne mit dem Satz von l'Hospital nachprüfen, dass die nun auftauchenden Funktionen für $x$ gen $0$ einen reellen Grenzwert besitzen.

Für das Integral nahe $\infty$ können wir nicht auf dieselbe Weise vorgehen, denn in diesem Bereich ist der Divisor $1+x^2$ wichtig, um das Wachstum von $\ln(x)$ zu bändigen. Wir benötigen aber auch keine weitere Abschätzung, wie wir gleich erfreut sehen werden.

4. Berechnung ohne Berechnung

Wir werden eine gewisse Symmetrie ausnutzen, die bislang noch nicht sichtbar ist, um die Existenz des Integrals sicherzustellen. Die Idee dahinter ist, die Unendlichkeit in den Integralgrenzen durch die Transformation $x\mapsto t = 1/x$ auf einen endlichen Wert zurückzuführen.

Für jedes $b>1$ gilt:
\[\lim_{b\to\infty} \int_1^b \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx = \lim_{b\to\infty}\int_1^{1/b} \frac{\ln(t^{-1})}{1+t^{-2}}-t^{-2}dt = \lim_{b\to\infty} -\int_1^{1/b} \frac{-\ln(t)}{t^2+1}dt.\]Nun sieht man schon die Magie, nicht wahr? Nicht nur, dass wir uns nun mit einem Integral über einem endlichen Intervall beschäftigen können; wir können sogar durch die Ersetzung von $1/b$ durch $a$ zu dem Integral übergehen, das wir schon kennen (denn wenn $b$ nach unendlich strebt, strebt $1/b$ nach $0+$, die Integrationsgrenzen drehen wir um und ob wir die Integrationsvariable nun mit $x$ oder $t$ bezeichnen, ist völlig ohne Belang). Kurz:
\[\int_1^\infty \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx = -\int_0^1 \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx.\]Dies sichert uns auf Anhieb die Existenz und weiterhin sofort den Wert des gesuchten Integrals, ohne den Wert der Teilintegrale zu kennen:
\[\int_0^\infty \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx = \int_0^1 \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx + \int_1^\infty \frac{\ln(x)}{1+x^2}dx = 0.\]
Das habe ich anfangs gemeint: Wenn sich nach langer Arbeit etwas kürzt, ist das einfach zauberhaft!

Sonntag, 3. April 2016

Wenn Tog wirklich wäre ...

Alle Jahre wieder trifft man auf der Leipziger Buchmesse auf die unterschiedlichsten Gestalten. Manche kommen in Verkleidung, andere machen hunderte Fotos und wieder andere tun harmlos, verteilen aber Nazi-Zeitungen. Man darf nicht jedem glauben, der einen anlächelt; ganz genauso ist es mit der

Religion

Untersuchungsgegenstand

Als ich das Messegelände gerade verlassen wollte, drückte mir ein überaus motivierter junger Mann ein Büchlein in die Hand, das auf den Titel "Wenn Gott wirklich wäre ..." hört. Geschrieben wurde es von Wolfgang Bühne und herausgegeben wurde es vom Verein "Christliche Literatur-Verbreitung" in nunmehr 4. Auflage. Offenbar habe ich durch dieses selbstlose Geschenk beinahe zwei Euro gespart, na hoi! Da kann ich mir natürlich auch die Mühe machen, etwas über dieses Geschenk zu schreiben.

Positives

Gleich vorneweg: Ich habe schon Schlimmeres gelesen, sowohl was den Inhalt als auch die Ausdrucksweise anbelangt. Genau genommen wusste der Autor mit beinahe tadelloser Rechtschreibung und mit vielen Beispielen aus dem täglichen Leben und von Berühmtheiten zu begeistern und mitzureißen. Die geäußerten Ansichten zur Bedeutung von Sünde, Liebe und dem Kreuz waren zudem in sich konsistent und lieferten mir eine neue Sicht auf diese Begriffe. Jemandem, der sich für ein paar launige Worte zur Religion interessiert, kann ich diese Lektüre durchaus empfehlen.

Rechtfertigung des folgenden Verrisses

Allerdings haben wir es hier nicht mit einer harmlosen Gute-Nacht-Lektüre zu tun, sondern mit dem Versuch, eine Weltanschauung zu rechtfertigen, die außerhalb des persönlichen Denkens keine Rechtfertigung besitzt. Irgendwo zwischen all den Aussagen, denen man guten Herzens zustimmen kann, muss es also eine handvoll Behauptungen geben, denen man – wo man doch gerade so schön dabei ist – leichtfertig zustimmt, die aber bei näherer Betrachtung in sich zusammenbrechen und dabei das gesamte, so schön konstruierte Gebäude mit sich reißen.

Montag, 14. März 2016

Frohgemuter pi-Tag

Heute ist er, der internationale pi-Tag, dessen Datum aus den Ziffern 3, 1 und 4 gebildet wird. (Und wie ich gerade gelesen habe, ist heute sogar der Tag des gerundeten pi, nachdem letztes Jahr der des abgeschnittenen war. Sehr schön, wirklich sehr schön!) Zur Feier versammeln wir uns alle an unserem liebsten (natürlich kreisrunden) Platz, fassen uns an den Händen und singen (zur Melodie von "Fröhliche Weihnacht überall", aber ohne Schneeflocken, denn die sind eckig) unser Lied.

Frohgemuter pi-Tag

"Frohgemuter pi-Tag überall!",
tönet durch die Lüfte, krummer Schall.

pi ist eine feste Zahl,
definiert ganz leicht:
jene die der Fläche des
Einheitskreises gleicht.

"Frohgemuter pi-Tag überall!",
tönet durch die Lüfte, krummer Schall.


pi mal d ist der Umfang
eines Kreises k,
von dem nur der Durchmesser
d gegeben war.

"Frohgemuter pi-Tag überall!",
tönet durch die Lüfte, krummer Schall.


pi ist wie sein Bruder e
völlig transzendent,
was man bestimmt irgendwie
aus Algebra schon kennt.

"Frohgemuter pi-Tag überall!",
tönet durch die Lüfte, krummer Schall.


pi im Exponent von e
zusammen mit 2i
ergibt 1 und trigono-
metrische Symmetrie.

"Frohgemuter pi-Tag überall!",
tönet durch die Lüfte, krummer Schall.


Und für alle, die nie aufhören wollen, geht es weiter!

Freitag, 11. März 2016

Verallgemeinerte Ableitung

Wie erkennt man, ob eine gegebene Funktion f differenzierbar ist? 
  • Für simples f können wir direkt die Definition überprüfen, 
  • für komisch definiertes f bleibt uns nicht viel anderes übrig, 
  • und die meisten f führen wir auf einfachere Funktionen zurück.
Allerdings gibt es kein einfaches Kriterium für Differenzierbarkeit. Anders ist es bei der

Verallgemeinerten Ableitung

Wir betrachten der Einfachheit halber eine Abbildung

f\colon \mathbb R\to\mathbb R

und rekapitulieren die normale Ableitung. Nach ihrer Definition ist f genau dann in einem Punkt x differenzierbar, wenn der Grenzwert

f'(x) = \lim_{t\to 0} \frac{f(x+t) - f(x)}{t}
existiert. Wann dies aber so ist, ist nicht direkt ersichtlich. Man könnte auf die Idee kommen, die Differenz im Zähler mittels der Lipschitzbedingung

|f(x) - f(y)| \leq L\cdot |x-y|
abzuschätzen (wobei L eine positive Konstante ist, die nicht von den Punkten x und y abhängt). Oft ist dies eine gute Idee, doch hier führt dies nur zu

|f'(x)| \leq \lim_{t\to 0} \frac{|f(x+t) - f(x)|}{|t|} \leq \lim_{t\to 0}\frac{L\cdot |x+t-x|}{|t|} = L.
Wir können also den Betrag der Ableitung nach oben abschätzen, müssen dabei jedoch voraussetzen, dass die Ableitung existiert. Wenn allerdings etwas nach oben beschränkt ist, blickt man fast schon automatisch auf das Supremum, denn dieses existiert ohne weitere Einschränkung. Es hindert uns also nichts daran, die verallgemeinerte Ableitung

f^\circ(x) = \limsup_{t\to 0} \frac{f(x+t) - f(x)}{t}




zu definieren. Der hier verwendete Limes superior wird oft nur für Folgen betrachtet. Hier wenden wir ihn auf Funktionen an und meinen damit ausgeschrieben

f^\circ(x) = \lim_{t\to 0} \sup_{0 < |s| \leq |t|} \frac{f(x+s) - f(x)}{s}.

Aus der Lipschitzbedingung folgt wie eben für jedes t die Abschätzung

\left|\sup_{0 < |s| \leq |t|} \frac{f(x+s) - f(x)}{s}\right| \leq L

und da das Supremum monoton fallend in |t| ist, existiert auch der Grenzwert. Dieser ist, um dies genauer auszuführen, nichts anderes als

f^\circ(x) = \inf_{t\neq 0}\sup_{0 < |s| \leq |t|}\frac{f(x+s) - f(x)}{s},
wie man sich schnell überlegt. Damit haben wir unser Ziel erreicht: Die verallgemeinerte Ableitung existiert, wenn f der Lipschitzbedingung genügt.

Wir können noch etwas allgemeiner an die Sache herangehen, wie wir gleich sehen werden.

Donnerstag, 4. Februar 2016

Selbstmord

Habt keine Angst, ich plage mich nicht mit dem Gedanken, mich umzubringen (und der Grund ist ganz leicht: wie sollte ich sonst meine biologische Bestimmung erfüllen?), und wenn ihr Angst habt, dass sich jemand anderes damit plagt, dann kann ich wohl wenig helfen und ein professioneller Gesprächspartner wäre angebracht. Ich möchte hier einfach nur eine kleine Metapher aufbauen, die sich in meinem Kopf gebildet hat.
Selbstmord

Ein Argument (von sicherlich vielen, darunter einigen guten und vielen schlechten) für den Freitod ist die Meinung, dass mit dem Tod endlich alle (zumindest irdischen) Probleme gelöst seien. Kein Stress mehr, kein Hass, keine Angst  einfach nur Ruhe.

Doch stimmt das wirklich? Eine Möglichkeit, sich dieser schwierigen Problematik zu nähern, ist es, sie auf einen anderen, nicht so emotionalen Gedankengang zu übertragen, über den man unbefangen diskutieren kann. Gelangt man dort zu einer einvernehmlichen Lösung, so ist nur noch fraglich, ob der genutzte Vergleich statthaft ist oder ob man sich doch zu weit vom Kern der Sache entfernt hat.

Nun, denken wir an einen Roman. In diesem werden, so will es die gängige Struktur, Konflikte aufgebaut, die sich erst im weiteren Verlauf der Geschichte, meist geballt gen Ende (oder bei besonders hinterlistigen oder schlechten Autoren auch gar nicht) klären. Jeder Leser hier kennt bestimmt ein gutes Beispiel für eine Frage, deren Antwort ihn so interessiert hat, dass er einfach weiterlesen musste.

Denkt einmal daran  macht es wirklich, und zwar jetzt , an dieses Problem und wie es euch wurmt, keine Lösung zu kennen. Und dann schlagt imaginär das Buch mittendrin zu und lest nie weiter (und lasst euch auch von sonst nirgendwo die Auflösung verraten). Ist dann damit das Problem gelöst? Wohl kaum. Es wurde nur beseitigt.

Rückübertragen erkennen wir, dass der Selbstmord Probleme nicht löst, sondern nur beseitigt. (Es sei denn natürlich, das Problem dreht sich um die Frage, ob ein Selbstmord möglich sei oder nicht, dann wäre damit das Problem in der Tat gelöst. Wir reden hier aber, so sagt es der Kontext, über Probleme des Lebens, vor denen man mittels Selbstmord fliehen will.) Das Argument ist damit, zumindest in dieser Formulierung, nicht stichhaltig.

Neben der Metapher als Hilfe zur Beseitigung eines Argumentes, kann sie auch helfen, neue Argumente aufzubauen.

Samstag, 30. Januar 2016

Zug um Zug

Ein Ritter in leichter Rüstung kniet auf allen Vieren und schaut erschöpft zu Boden. Obwohl keine Wunden zu sehen sind, ist er verdreckt und es ist klar, dass er gerade vernichtend geschlagen wurde. Die Außenwelt ist völlig ausgeblendet, es geht nur um ihn. Seine Niederlage ist der einzige relevante Inhalt des Bildes, das ihr euch gerade vorstellt.

Auch ich hatte dieses Bild vor Augen, als ich im Juni 2015 eine dazu passende Geschichte für die zweite Runde im Sommerturnier der Schreibwerkstatt schrieb. 

Zug um Zug

Du hast von der Welt des Ritters gehört, ich bin mir sicher. Hast Bilder gesehen, dir damals in der Schule Gedanken gemacht, als du noch nicht so sehr mit deinem eigenen Leben beschäftigt warst. Vielleicht bist du seiner Welt auch nahe gekommen, hast dir überlegt, wie du in ihr bestehen würdest. Es besteht gar die Möglichkeit, dass du dich durch jahrelange Studien besser in ihr auskennst, als alle deine Freunde, alle Politiker, alle Großväter. Doch wer du auch sein magst: Du weißt ganz sicher nicht, wie grausam seine Welt ist.

Ritter: »Gestern wurde ich Zeuge, wie die Saatkrähen einander zerhackten. Diese imposanten Geschöpfe sind mir aus meiner Kindheit wohlbekannt. Ich bin durch ihr Krächzen aufgewacht, zu diesem Krächzen eingeschlafen und in dem Bereich dazwischen, der sich Tag nannte, unter ihrem Krächzen herangewachsen. Damals, in einer Zeit, in der noch Ordnung herrschte, stand direkt neben unserer Behausung 
 einer wehrhaften, kleinen Anlage  ein hoher Turm, auf dessen Zinnen sie saßen und warteten. Sie beobachteten aus schwarzen, wissenden Augen das Treiben der Menschen, und wenn sie Hunger hatten, flogen sie nicht auf die Felder, sondern ernährten sich vom Glück und Leid der Welt. Ich fand es nicht verwunderlich, sie nie ausfliegen zu sehen, und auch nicht, dass sie, anders als Amseln, übermenschlich groß waren. Wir Kinder kannten es nicht anders. Später, als ich das Land durchstreifte, erfuhr ich von einem tattrigen Bauern, dessen Bart schon fast den Erdboden berührte, von der Düsternis, die diese Vögel umgab. Erst, wenn die Welt in Trümmern liege und der König sie brauche, so sagte er, würden sie sich erheben und alles zerfleischen, was ihren Weg kreuzte. Ich hatte ihm, jung wie ich war, kein Wort geglaubt und ihn gewarnt, unseren König nicht mit schwarzer Magie in Verbindung zu bringen. Als er Jahre darauf einer der ersten war, die in den heimtückischen Schlachten fielen, sah ich mein Vorurteil bestätigt. Nur die uneingeschränkte Treue zum König war der rechte Weg, und dieser verhalf mir zu Pferd und Streitkolben. Selbst, als die Saatkrähen flogen, zögerte ich nicht, den Befehlen zu folgen. Besser ein König der Magie, als von einem übermächtigen Feind zerrieben zu werden.«

Du magst ihm einen schwachen Willen attestieren, sich so leicht den Oberen zu fügen, doch hüte dich, über Menschen zu richten, in deren Haut du nicht steckst, nicht stecken wirst, nicht einmal stecken kannst.

Was hat es wohl mit dieser Welt auf sich? Der Hinweise wird es genügend geben.

Donnerstag, 28. Januar 2016

Mathematische Enttäuschung

Wer kennt es nicht, dieses Problem vieler Schüler mit der Mathematik? Manche sagen, die Lehrer seien daran Schuld, andere, die Schüler würden nicht genug lernen. Fakt aber ist, dass ein Problem existiert. Ein Aspekt davon ist die

Mathematische Enttäuschung

Was ich damit meine, möchte ich nicht der Fantasie überlassen.

Definition

Eine mathematische Enttäuschung (kurz: Mathent) entsteht dann, wenn ein Lösungsschema einer Aufgabe guten Gewissens auf eine andere Aufgabe angewandt wird, dort allerdings unabhängig von möglichen Ausführungsfehlern nicht zu einer Lösung führt.

Manche Wörter dieser Definition sollen noch erläutert werden:

  • Lösungen sind die vollständigen Antworten zu Fragen, die zusammen mit nötigen Erklärungen in einem Problemtext gestellt werden.
  • Eine Aufgabe ist ein Problemtext, dessen Lösung bekannt ist und der so formuliert ist, dass diese Lösung mit dem kontextabhängigen Wissen in überschaubarer Zeit erarbeitet werden kann.
  • Ein Lösungsschema verallgemeinert den so gefundenen Lösungsweg derart, dass damit gewisse ähnliche Aufgaben durch rein maschinelle Tätigkeiten (wie etwa das Errechnen von Funktionswerten) gelöst werden können.
  • Das gute Gewissen beim Übergang zu anderen Aufgaben liegt dabei dann vor, wenn diese mit Überzeugung zu den eben genannten ähnlichen Aufgaben gezählt wird (ohne freilich dazu zählen zu müssen).

Kurz gesagt: Der Schüler denkt, er hätte (endlich) etwas verstanden, sieht sich dann aber mit einem Problem konfrontiert, für das sein (mühsam) erarbeiteter Lösungsmechanismus aus ihn unverständlichen Gründen nicht anwendbar ist.

Ein einfaches Beispiel ist das Lösen linearer Gleichungen:

  • 2x = 4 kann gelöst werden, indem man einfach 4 durch 2 teilt; ebenso löst man 3x = 6, indem man durch 3 teilt; das Lösungsschema der Gleichungen ax = b lautet demnach, b durch a zu teilen. 
  • 2x = 3 kann mit diesem Schema nur gelöst werden, wenn der Begriff der gebrochenen Zahlen bekannt ist, anderenfalls tritt eine Mathent ein, die hier indirekt durch den Kontext heraufbeschworen wurde.
  • 0x = 2 kann mit diesem Schema nicht gelöst werden und das Schema gibt auch keinen Hinweis darauf, wann eine Gleichung verbindlich unlösbar ist.

Etwas komplexer kann das Schema, eine Gleichung y = f(x) einfach nach x aufzulösen, um ein Urbild von y zu finden, nur schwer bei allgemeineren Funktionen händisch angewendet werden, und es versagt verschiedentlich, wenn f nicht bijektiv ist.

Sind Schüler mit einer Mathent konfrontiert, kann Zweierlei passieren:

  1. Sie denken, nicht für die Mathematik "geschaffen" zu sein und versuchen, sich mit zusammengewürfelten Erklärungen durch die Schullaufbahn zu mogeln.
  2. Sie erkennen (aus eigenem Antrieb oder durch den Lehrer geführt) den Fehler in ihrer Argumentation und sehen ein, dass manche Aufgaben trotz ähnlicher Gestalt nicht mit dem bisherigen Schema lösbar sind, ohne allerdings das bewährte Schema für alte Aufgaben zu verwerfen.

Ich behaupte, dass der erste Punkt einen großen Teil der Abneigung gegen die Mathematik verursacht, woraus im Sinne dieses Faches folgt, den zweiten Punkt zu fördern. Dadurch können neue Verfahren motiviert werden und Entwicklungen im mathematischen Wissen gefördert werden, ohne alte Wahrheiten verfallen zu lassen. Es ist dabei allerdings wichtig, exakt auf den Grund des Scheiterns einzugehen und zu erklären, dass das genutzte Lösungsschema aufgabenspezifisch ist. Eine Zuordnung von Aufgaben zu verschiedenen Schemata ist damit ein wichtiger Lehrauftrag.

Es fehlt noch ein metaphorischer Vergleich oder ein Beispiel aus dem realen Leben für eine Mathent.

Dienstag, 26. Januar 2016

Suprasegmentalium

Man kennt die Probleme, die bei der schriftlichen Kommunikation, vor allem in Chats mit geringen Möglichkeiten der Schriftbearbeitung, auftreten. Derselbe Satz kann, je nach Stimmung und Kontext, auf viele verschiedene Arten gelesen werden. So auch hier.

Suprasegmentalium

Ich möchte mein Leben mit dir genießen 
nicht mit Bernd, und nicht mit Klaus ‒,
nur mit dir auf bunten Wiesen;
erst Baum, dann Kind und dann ein Haus.

Ich möchte mein Leben mit dir genießen 
nicht nur die Tage im ersten Glück ,
mit dir durch all die Zeiten fließen 
und sind wir grau, sehn wir zurück.

Ich möchte mein Leben mit dir genießen 
verschließe dich nicht, wir schaffen das schon.
Es hilft kein Jammern, kein Verdrießen;
er war nicht unser letzter Sohn.

Ich möchte mein Leben mit dir genießen,
die Zeit reicht nicht für Bitterkeit.
Frag nicht, wie unsre Kinder hießen;
ich bin die alten Wunden leid.

Ich möchte mein Leben mit dir genießen,
aber du Döskopp machst es mir schwer.
Nun lass mich meine Blumen gießen ...
Die Nachbarn kommen nachher her.

Ich möchte mein Leben mit dir genießen,
aber deines ... hm ... das kümmert nicht.
Einem ... einem ... miesen, fiesen ...
Kerl! schau ich nicht mehr ins Gesicht.

Ich möchte mein Leben mit dir genießen,
aber du, du suchst nur Streit!
Was soll ...? Willst du mich erschießen?
Dann sei es so. Es wurde Zeit.

Was meint ihr, auf welchem Wort liegt jeweils die Betonung?

Montag, 25. Januar 2016

Portal

Möchte man vor der Realität flüchten, so liest man ein Buch und lässt seiner Fantasie freien Lauf. Möchte man sich optisch mehr leiten lassen, tut es auch ein Film, auch wenn man selbst kaum noch etwas zu tun hat. Um sich selbst einzubringen, geht man über zu Videospielen und ist damit mittendrin in der realistischen Darstellung einer wunderlichen Physik. 

Portal

Das Spiel, um das es heute geht, läuft unter dem eben fett genannten Titel, und wer es nicht kennt, kann sich sicher selbst ohne Weiteres ein Bild davon machen, ich muss wahrlich nicht jeden Link teilen. Mir geht es auch nicht um die Graphik, die Bedienung oder gar die Handlung. Ich interessiere mich allein für ein zentrales Element, die Portale.

Diese treten als Paare auf, ein Portal ist orange-umrandet, das andere blau, beide sind rund, kleben auf einem ebenen Untergrund und ‒ jetzt kommt’s ‒ wenn man durch einen der beiden Kreise tritt, läuft man nicht etwa gegen die Wand dahinter, sondern tritt aus dem anderen Kreis heraus. Kurz: Wir haben es mit einer orange-blauen augenblicklichen Teleportation zu tun.

Im Videospiel kann man damit neuartige Rätsel stellen und lösen, optisch macht das alles auch viel her, da man durch die Portale in Echtzeit schauen kann, und würden wir ein solches Portalpaar zu kleinen Preisen errichten können, so ergäben sich viele fantastische Möglichkeiten. Wir könnten auch viele hochspannende Fragen klären, wie etwa, wo die Energie hierfür herkommt (oder andere lustige, vermeintliche Verbrecher wider der Energieerhaltung, wie etwa zwei Portale im Meer auf unterschiedlicher Höhe), oder, wenn wir etwas ausführlicher werden:
  • Was passiert, wenn sich ein Portal mit hoher Geschwindigkeit auf einen liegenden Würfel herabsenkt ‒ wird er dann weiterhin in Ruhe bleiben und das andere Portal ohne Eigengeschwindigkeit verlassen (wie etwa hier einige Ingenieure argumentieren), oder wird man erkennen, dass der Würfel mit einer gewissen Geschwindigkeit aus dem Portal geschoben wird und daher noch ein wenig weiter fliegt (wie viele Physiker erläutern)?
  • Was passiert, wenn wir einen Arm durch das Portal stecken und sich das andere Portal in Richtung Hand bewegt: Wird der Arm zurück zu uns gedrückt, weil das Portal um ihn herum wandert, oder bewegt er sich ohne Probleme mit, da er aus dem Portal hinausragt? (Ich denke, etwas vom Ersten und viel vom Zweiten.)
Doch Stopp! Bevor wir uns dieser Freude hingeben, müssen wir das Problem analysieren. Keine Antwort wird zufriedenstellend sein, wenn sie nicht zuvor eine physikalisch stimmige Erklärung der Funktionsweise liefert. Erst, wenn wir erkennen, dass solche Portale logisch möglich sind, können wir auf den Axiomen ihrer Funktionsweise neue Erkenntnisse ernten. Und vielleicht erkennen wir auch, dass ein Portal nicht existieren kann. Dann wären viele traurig.

Jetzt gebe ich euch etwas Zeit, um über das Problem nachzudenken. Meine Antwort ist nicht sonderlich elegant, also bin ich auf eure gespannt. (Heißt: Schreibt Kommentare.)

Samstag, 23. Januar 2016

Die Entwicklung der Arten

Wie wird sich das Verhältnis von Religion und Wissenschaft in der Zukunft entwickeln? Man kann es nicht genau sagen, aber man kann Vermutungen anstellen. Hier seht ihr meine aus dem Mai 2015, damals entstanden als Geschichte im Sommerturnier der Schreibwerkstatt. 

Die Entwicklung der Arten

Verwegen wehte sein Vollbart im Wind. Als wäre er der Zeit entsprungen, um endlich zu triumphieren, stand Charles Derwing, ein in Würde ergrauter Biologe, auf einer Erhebung und reckte ein dünnes Heft gen Himmel. Mehrere Drohnen umkreisten ihn, richteten ihre roten Kameralinsen auf die Szenerie und schickten Nah- und Fernaufnahmen hinaus in alle Kolonien. Dort saßen Junge wie Alte, die mit den anwesenden Würdenträgern in leiser Verachtung verbunden waren: Dieser Mann wollte lehren, doch der aschfahle Umschlag in seiner Hand strahlte keinerlei Magie aus. Die großen Bücher der Geschichte mit ihren dicken, ledernen, goldbesetzten Einbänden und Hunderten Seiten konnten wohl Wahrheit verbreiten, aber dieser Wisch? Ein Murmeln ging durch die Menge, sammelte sich zu einer Faust und prallte an der geschwellten Brust des Wissenschaftlers ab. Er war vorbereitet und dieser Wisch, wie sie meinten, das knappe Dutzend vergilbter Seiten, einst mit blauer Tinte beschrieben, heute kaum noch lesbar, war seine stärkste Waffe.


»Die Biologie!«, rief er laut und gab damit den Beginn seiner Rede bekannt. »Die Biologie hat sich der Klassifikation der Lebewesen dieser Welt  weit über neunzig Prozent davon längst ausgestorben  verdient gemacht. Doch in diesem Heft stehen keine Daten über Eisbären oder Kröten, über Eichen oder Wiesenblumen; dieses Heft wurde nicht geschaffen, um sich die Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen; es enthält keine einzige gesicherte Erkenntnis.«

Er verstummte, wie auch der Pulk ihm gegenüber verstummte. Sollte das sein Zug in diesem ewigwährenden Kampf sein? Die Bekanntgabe des Unwissens, die völlige Kapitulation?

Sollte es wirklich so sein?

Donnerstag, 21. Januar 2016

Rationale Begleittexte

Wer jemals einem Deutschlehrer ausgesetzt gewesen ist, der an seiner (irgendwo aufgeschnappten) Interpretation eines Kafka-Texts krampfhaft festhält und jede abweichende Meinung mit Punktabzug bestraft, wird die heutige Idee zu schätzen wissen:

Rationale Begleittexte

Kurz:

Die Idee ist im Namen enthalten: Viele Texte bedienen sich sprachlicher Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Dieses Ziel ist keine Frage der Interpretation und kann daher allgemein verständlich einem Text als nützliche Begleitinformation beigefügt werden.

Motivation:

In der neueren mathematischen Fachliteratur ist dies Gang und Gebe. Jeder Abhandlung wird ein "Abstract" vorangestellt, in dem kurz auf die wesentlichen Ideen und Ergebnisse eingegangen wird. Ohne sich in die jeweilige Notation und genutzte Quellen einlesen zu müssen, erkennt man so in wenigen Sekunden, ob die Mühe lohnt oder ob die Arbeit für das eigene Vorhaben wenig nützlich ist.

Ich bin sicher, dass diese hilfreiche Information auch in anderen Wissenschaften der eigentlichen Arbeit vorangestellt wird. Nicht nur, da sie ungemein praktisch für den Leser ist, sondern auch, weil der Autor kaum Mühe bei der Erstellung hat. Das Ziel seines Textes ist ihm klar; er soll verständlich und kompakt über eine Erkenntnis berichten und diese so gut wie möglich belegen.

Problematik:

Schwieriger wird es, wenn die Texte literarischer werden. Die Sprache, die dem Wissenschaftler lediglich dazu dient, um klar zu sprechen, gewinnt hier an Bedeutung. Sie passt sich den wechselnden Situationen einer Geschichte an, sie beeinflusst die Lesegeschwindigkeit, sie findet Freude daran, durch bewusstes Abschweifen vom inhaltlichen Kern manche Dinge zu verdecken und im Leser Gefühle wachzurufen. Manche Poeten gehen gar so weit, dass ihre Worte kaum noch speziellen Situationen zuzuordnen sind. Ihre Texte klingen.

Ein rationaler Begleittext muss in einer solchen Situation einiges leisten. Es genügt nicht, lediglich eine Zusammenfassung des Inhalts zu geben, denn eine solche wäre nicht mehr als ein blasser Schatten des Gedichts. Der Autor verfolgt ein Ziel, das sich nicht durch die Handlung einstellt, sondern durch dessen Darstellung. Doch was auch immer dieses Ziel auch sein mag: Freude, Mitgefühl, Angst oder reine Konfusion ‒ es lässt sich durch einen klaren Text erläutern.

Nochmals kurz:

Der rationale Begleittext dient somit zur Beantwortung einer einzigen Frage:



Worauf legt der Autor wert?


Wer noch nicht überzeugt ist, findet jetzt noch eine Auflistung, wem die rationalen Begleittexte nützlich sind. (Und wer schon überzeugt ist, liest eh weiter.)

Mittwoch, 20. Januar 2016

Nemitskij-Operatoren

Ein Problem zu lösen ist leicht: Man zerlegt es in einfache, schon gelöste Probleme, fügt die Ergebnisse zusammen und ist fertig. Dabei muss allerdings sichergestellt werden, dass beim Zusammensetzen keine merkwürdigen Dinge passieren. Was dies sein kann, sieht man beim 

Nemitskij-Operator

Wir betrachten zwei Mengen A und B und dazu zwei Abbildungen 

f\colon A\times B\to B,\quad (a,b)\mapsto f(a,b)

und
g\colon A\to B,\quad a\mapsto g(a).

Es liegt nun nahe, und g miteinander zu verknüpfen. Dies kann aufgrund der Struktur der Funktionen nicht durch eine simple Hintereinanderausführung geschehen. Wir sind daher angehalten, ein bisschen weniger simpel in f einzusetzen. Wir erhalten eine neue Abbildung, die wir mit Ng bezeichnen wollen. Sie ist definiert über 

Ng\colon A\to B,\quad a\mapsto f(a,g(a)).

Fassen wir nun die Funktion als Variable auf, wird N zu einer Abbildung. Es sei Abb(A,B) die Menge aller Abbildungen von A nach B, dann gilt

N\colon Abb(A,B)\to Abb(A,B).

Diese Abbildung N bezeichnen wir als Nemitskij-Operator. Wir können sie auch Einsetzungsoperator nennen, denn wir erstellen aus g eine neue Abbildung, indem wir g an geeigneter Stelle in f einsetzen.

Wir stellen uns nun die Frage, inwiefern der Nemitskij-Operator die Eigenschaften der eingesetzten Funktionen verändert.

Dienstag, 19. Januar 2016

Wasserstoff

Wenn ihr in der Schule einmal ein Gedicht aufsagen sollt, aber nicht viel lernen und zugleich noch den großen Naturwissenschaftler geben wollt, dann versucht es einmal mit diesem hier:

Wasserstoff

Ich hab’ ein Elektron,
dazu noch ein Proton,
manchmal ein Neutron
und ‒ das wars auch schon.

Folgend ein paar Gedanken zu Vortrag und Hintergrund.

Montag, 18. Januar 2016

Ablaufplan

Ihr kennt das sicherlich. Man nimmt sich viel vor (oftmals viel zu viel) und schafft dann auch viel – aber nicht das, was man wollte. Darum kommt nun das ultimative ein einigermaßen gutes Mittel gegen Ablenkung und Zeitverschwendung, nämlich einfach anfangen und
 
Der Ablaufplan Eine Struktur

Dieser Blog vereint einige Themen, die alle Gehör finden wollen. Um dies zu strukturieren, führe ich so wie früher spezielle Tage ein sie einfach mal auf. Ich gebe keine Garantie darauf, an jedem Tag anwesend zu sein, aber ich versuche es und werde auch nur dann etwas posten, wenn ich die Zeit dafür aufbringen kann.

Montag: Mathematik zum Anfassen (alles, was nicht zur Uni passt)

Mathe macht Freude, so lautet das Motto. Also sammle ich hier alles Mathematische, das weniger ernst denn augenzwinkernd daher kommt. Auch werde ich hier einige Logeleien wortreich erläutern, um Außenstehenden ein Thema zu geben, sollten sie auf einen Mathematiker treffen. (Aber zugegeben gibt es schon viele Stellen, an denen sich damit befasst wird, das Rad brauche ich nicht neu zu erfinden.)

Dienstag: Lyrik

Zwischen den beiden magischen Mathetagen Bei all der Mathematik braucht das Hirn eine Pause; und da mir gesagt wurde, es käme bei Gedichten mehr auf den Klang der Worte als auf den Inhalt an, passt das ganz gut. Rationale Begleittexte wird es dennoch geben. Und Lyrmathik, ganz bestimmt.

Mittwoch: Mathematik pur

Als ewiger Student der wohl schönsten Wissenschaft auf Erden befasse ich mich mit allen Auswüchsen der reinen Logik. Hier werde ich notieren, womit ich gerade arbeite, abstrakt und allein für Eingeweihte der hohen Kunst und für solche, die es werden wollen.
 
Donnerstag: Philosophieren Gedanken über die Welt

Noch ganz verspannt von all der Logik lassen wir den Geist etwas schweifen und sehen uns an, wie ich mir die Welt erkläre. Da der Druck fehlt, ewige Wahrheiten zu erschaffen, können wir hier ganz zu uns finden. Ob das Nutzen bringt? Ein Diskurs über Meinungen, und seien sie auch seltsam, ist eine gute Sache.

Freitag: Kunst abseits digitaler Texte

In all den Kisten liegen noch beschriebene Blätter voll alter Geschichten; diese kann ich hier ein wenig aufbereiten. Vielleicht male ich auch ein Bild, vertone Geschichten oder ... oder ich singe tatsächlich und stell die Aufnahme hier ein. Mal sehen.

Samstag: Literatur vom Feinsten

Am Wochenende Ab und zu sollte man sich etwas Schönes gönnen, daher lasst mich euch in fremde, oftmals verquer mathematische Welt entführen, gebaut aus Buchstaben für die Ewigkeit. Mögen euch die Gedanken noch bis in den Schlaf verfolgen. Am Ende dann soll alles gebunden werden, das wird höchste Zeit.

Sonntag: Nörgeleien und feine Späße    

Wie oben schon erwähnt, gibt es viele Menschen, die Dinge tun, dir dem Ziel dieses Blogs gleichen. Wenn ich auf solche stoße, ist es gewinnbringender, ihre Arbeit vorzustellen, als sie mehr schlecht als recht nachzumachen. Umgekehrt gibt es aber auch viele Dinge, über die ich mich über alles Maß echauffieren kann (meist Rechtschreibfehler). Das werd ich dann auch hier mitteilen.

Damit ist der Weg skizziert, den ich hier bestreiten mag. Es freut mich, wenn ich dabei auf den einen oder anderen Begleiter stoße, der seine Gedanken mit mir teilen möchte.

Wer sich für ein paar Statistiken interessiert, findet folgend (noch nicht viele) mehr.