Montag, 23. Januar 2017

Kugeldreiecke und regelmäßige Körper

Ich habe heute eine Rechenaufgabe für euch, und zwar, den folgenden Term zu kürzen: $$\frac{6(2(\arccos(-1/3) + 2\arccos(1/\sqrt3)-\pi))+ 8(3\arccos(1/3)-\pi)}{4\pi}.$$Das mag euch (was nur zu verständlich ist) als verschwendete Lebenszeit erscheinen, doch lasst euch gesagt sein: das Ergebnis ist eine ganz besondere natürliche Zahl!

Woher stammt dieser seltsame Term? Lasst es mich erklären (wie solltet ihr mich auch daran hindern, nicht wahr?) Er hängt zusammen mit Kugeln, Dreiecken, Raumwinkeln und platonischen Körpern:

1. Definitionen

Lasst uns ohne weitere Umschweife festlegen:
  • Ein Kugeldreieck ist ein Dreieck, dessen 3 Punkte sich auf der Oberfläche der dreidimensionalen Einheitskugel befinden.
  • Möchte man das Dreieck auch mit Kanten ausstatten, so verbindet man die 3 Punkte entlang von Großkreisen.
  • Der Flächeninhalt des Dreiecks wird relativ zur Kugel bestimmt, auf der es liegt. Das erspart uns die lästige Integralrechnung. Bedeckt ein Dreieck den Prozentsatz $p$ der Oberfläche, so berechnet sich sein Flächeninhalt zu $A = p\cdot 4\pi$, wobei wir das bekannte Oberflächenmaß der Kugel eingesetzt haben.
Für alle, die dazu gerne ein Bild sehen möchten: wie immer hat unser Freund Wiki eines parat.

2. Eine überaus interessante Formel

Alle, die sich brav den verlinkten Artikel durchgelesen haben, um meinen Worten folgen zu können, ist sicherlich eine erstaunliche Formel aufgefallen: der Flächeninhalt $A$ eines Kugeldreiecks lässt sich berechnen, wenn man dessen Innenwinkel $\alpha$, $\beta$ und $\gamma$ kennt, und die Formel ist wunderbar simpel (vor allem für unseren Fall eines Kreises mit Radius 1), wir bezeichnen sie als erste Fundamentalformel:$$A = \alpha + \beta + \gamma - \pi.$$Die Formel ist so einfach, dass man beinahe skeptisch werden muss, also schaut euch lieber den (wirklich sehr einfachen und anschaulichen) Beweis dazu an (der Link dazu stand schon oben, ja). Im  Spezialfall einer Kreislinie haben wir die Winkel $0$, $0$ und $\pi$, was den Flächeninhalt $0$ ergibt, und im Spezialfall eines dreifach-rechtwinkligen Kugeldreiecks ergibt sich eine Fläche von $\pi/2$, einem Achtel der Kugeloberfläche.

Für ebene Dreiecke ist mir keine solche Formel bekannt, die die Innenwinkel mit dem Flächeninhalt verknüpft (allein schon, weil durch diese Winkel ein ebenes Dreieck nicht vollständig bestimmt ist) und natürlich ist die obige Formel auch nicht für ebene Dreiecke gültig, denn für solche gilt stets $\alpha + \beta + \gamma = \pi$, die Formel gibt also den Flächeninhalt $0$ aus: Merke: das einzige ebene Dreieck auf der Einheitskugel ist ein zu einem Punkt degeneriertes.

3. Noch eine Definition

Man erinnere sich daran, wie ein Winkel in Radiant gemessen wird, indem wir dem Winkel als Maßzahl die Länge des Kreisbogens zuweisen, der von einem solchen Winkel aufgespannt wird (ein Winkel, das ist Formal eine Klasse von Paaren von Geraden, aber lassen wir die Axiomatik bei Seite). Dasselbe können wir im Raum durchführen:

Wir legen eine Ecke eines Körpers in den Mittelpunkt der Kugel und verlängern die von der Ecke ausgehenden Kanten so lange, bis sie die Kugeloberfläche schneiden. Die Schnittpunkte grenzen ein Kugelpolygon ein und dessen Flächeninhalt (den wir durch Triangulation bestimmen) nennen wir den Raumwinkel dieser Ecke. (Praktisch werden wir einen Körper wählen, dessen Kanten schon alle Länge 1 haben, womit dann die angrenzenden Ecken der Mittelpunktseckeauf der Kugeloberfläche liegen).

Damit ist theoretisch klar, was wir unter dem Raumwinkel einer Ecke verstehen und auch, was wir unter der Raumwinkelsumme eines regelmäßigen Körpers verstehen (nämlich die Summe der Raumwinkel aller Ecken, wer hätte das gedacht).

4. Die Notwendigkeit des Rechnens

Leider, leider, ist die obige, so schön einfache erste Fundamentalformel nicht ausreichend für das Ziel, das wir vor Augen haben. In der Realität könnten wir ein Modell des Körpers basteln und dann die Winkel messen. Wir sind aber nicht in der Realität, wie sind in einem Blog gefangen, und deswegen können wir nichts messen, sondern müssen die Winkel durch reine Logik bestimmen, und das heißt in diesem Fall: Rechnerei. Da allerdings die Winkel im Kugeldreieck nichts weiter sind als die Winkel zwischen geeigneten Tangenten und da es eine Gemeinsamkeit zwischen Winkeln gibt, deren Schenkel zueinander paarweise senkrecht stehen (schaut mal nach, welche genau), genügen uns die bekannten linearen Rechentechniken.

Wenn man danach ein wenig sucht und schaut und sich wundert, dass die nötigen Formeln so schwer in unserem Kontext zu finden sind, findet man natürlich doch etwas (und sucht gerne noch weiter nach anderen Quellen) und man gelangt zu der folgenden Formel, die wir die zweite Fundamentalformel nennen:$$\cos(\alpha) = \frac{\langle A\times B,A\times C\rangle}{\|A\times B\|\cdot \|A\times C\|}.$$Was gibt diese an? Den Zusammenhang zwischen den Eckpunkten eines Kugeldreiecks mit den Eckpunkten $A$, $B$ und $C$ und dem Winkel $\alpha$, der bei $A$ liegt.

Zur kurzen Erläuterung: Noch immer liegt die betrachtete Ecke im Ursprung, und wir haben die Punkte natürlich als Vektoren mit drei Einträgen aufgefasst (für die Schüler unter uns: wir unterscheiden nicht zwischen Punkten und ihren Ortsvektoren). Weiterhin erinnern wir uns oder schlagen nach:
  • Das Kreuz $\times$ lässt uns das Kreuzprodukt durchführen, womit $A\times B$ ebenfalls ein Vektor ist, 
  • die Klammern $\langle\cdot,\cdot\rangle$ lassen uns das (natürlich euklidische) Skalarprodukt bestimmen, $\langle A,B\rangle$ ist also eine reelle Zahl,
  • die Striche $\|\cdot\|$ lassen uns die (natürlich euklidische) Norm (für Schüler: die Länge des Vektors) bestimmen, womit auch $\|A\times B\|$ eine Zahl ist,
  • und schließlich müssen wir noch wie gewohnt dividieren – da wir nur Zahlen durch Zahlen teilen, ist dies auch kein Problem.

5. Jetzt geht's los: der Würfel

Wir beginnen mit einem einfachen, anschaulichen Beispiel, an dem wir die Rechnung überprüfen können, dem Würfel. Wir legen eine Ecke in den Nullpunkt, den Koordinatenursprung, und als weitere Ecke betrachten wir die Punkte $$A=\left( \begin{array}{c} 1\\0\\0\end{array}\right),\quad B=\left( \begin{array}{c} 0\\1\\0\end{array}\right),\quad C=\left( \begin{array}{c} 0\\0\\1\end{array}\right).$$Man sieht ohne Probleme, dass wir damit wirklich einen Ausschnitt eines Würfels mit Kantenlänge 1 beschrieben haben, und wegen $$A\times B = \left( \begin{array}{c} 0\\0\\1\end{array}\right),\quad A\times C =\left( \begin{array}{c} 0\\-1\\0\end{array}\right)$$können wir auch leicht mit der zweiten Fundamentalformel berechnen, dass $\cos(\alpha) = 0$ gilt (denn das Skalarprodukt ist $0$, die Normen sind uns reichlich egal (und sind natürlich gleich $1$). Dies sagt uns:
  • Es gilt $\alpha = \pi/2$ (den anderen möglichen Wert $3\pi/2$ schließen wir anschaulich aus);
  • weiterhin ist die Situation völlig symmetrisch, daher gilt für die anderen beiden Winkel im Kugeldreieck auch $\beta = \gamma = \pi/2$;
  • und schließlich beträgt der Raumwinkel einer Würfelecke nach der ersten Fundamentalformel $3\cdot \pi/2 - \pi = \pi/2$.
  • Und für später: Da ein Würfel genau 8 Ecken hat, beträgt die Raumwinkelsumme $4\pi$, was der Raumwinkel der vollen Kugel ist. Relativ zu diesem Wert haben wir also einen Raumwinkel von $1$.
Anschaulich ist dies auch klar: Wir können in jede Würfelecke von innen eine Achtelkugel setzen, die wir zu einer vollen Kugel zusammensetzen können.

6. Etwas komplizierter: der Tetraeder

Ein Tetraeder kennen wir auch alle, denn die Form ist so schön einfach: vier Kanten, alle gleich lang, fertig. Um hier den Raumwinkel einer Ecke zu bestimmen, gehen wir analog vor, legen eine Ecke in den Ursprung und wählen weiterhin $$A=\left( \begin{array}{c} 1\\0\\0\end{array}\right),\quad B=\left( \begin{array}{c} 1/2\\\sqrt3/2\\0\end{array}\right),\quad C=\left( \begin{array}{c} 1/2\\\sqrt 3/6\\\sqrt 2/\sqrt 3\end{array}\right).$$Man prüft leicht nach, dass damit ein Tetraeder beschrieben wird (und kann sich natürlich eine andere Darstellung seiner Wahl nehmen, ich wollte ein paar Nullen einbauen) und mit $$A\times B = \left( \begin{array}{c} 0\\0\\\sqrt 3/2\end{array}\right),\quad A\times C =\left( \begin{array}{c} 0\\-\sqrt 2/\sqrt 3\\\sqrt 3/6\end{array}\right)$$ gelangen wir zu $\cos(\alpha) = 1/3$.

Problematisch ist, dass ich keine schöne Zahl angeben kann, die die Gleichung $\cos(\alpha) = 1/3$ löst. Allerdings können wir den Arkuskosinus, die Umkehrfunktion des Kosinus, nutzen, und halten fest:
  • Es gilt $\alpha = \arccos(1/3)$,
  • und aufgrund der Symmetrie erhalten wir den Raumwinkel $3\arccos(1/3)-\pi$
  • und die Raumwinkelsumme $4(3\arccos(1/3)-\pi)$, was, relativ zur vollen Kugel, einer Winkelsumme von rund 0,17547965609182192 entspricht (eine schönere Darstellung der Zahl kann ich euch leider gerade nicht liefern).

7. Noch komplizierter: der Oktaeder

Wir kennen das Spielchen nun schon sehr genau: eine Ecke des Oktaeders können wir mit dem Nullpunkt und den vier Punkten $$A=\left( \begin{array}{c} -1/2\\-1/2\\1/\sqrt 2\end{array}\right),\quad B=\left( \begin{array}{c} -1/2\\1/2\\1/\sqrt 2\end{array}\right),\quad C=\left( \begin{array}{c} 1/2\\-1/2\\1/\sqrt 2\end{array}\right),\quad D=\left( \begin{array}{c} 1/2\\1/2\\1/\sqrt 2\end{array}\right)$$ beschreiben. Da hier von einer Ecke vier Kanten ausgehen, müssen wir erstmals die Triangulation anwenden und zuerst die Punkte $A$, $B$ und $C$ betrachten und dann die Punkt $B$, $C$ und $D$. Da die zweite Punktmenge allerdings aus Symmetriegründen zum selben Raumwinkel führt, können wir uns die zweite Rechnung sparen. Allerdings sind nun nicht mehr die Innenwinkel des Kugeldreiecks gleich groß, weswegen wir eine Rechnung für $\alpha$ und eine für $\beta = \gamma$ durchführen müssen. Wir erhalten in einer ersten Rechnung $$A\times B = \left( \begin{array}{c} -1/\sqrt 2\\0\\-1/2\end{array}\right),\quad A\times C =\left( \begin{array}{c} 0\\1/\sqrt 2\\1/2 \end{array}\right)$$und in einer zweiten Rechnung $$B\times A = -(A\times B),\quad B\times C =\left( \begin{array}{c} 1/\sqrt 2\\1/\sqrt 2\\0 \end{array}\right).$$Die weiteren Rechnungen sind schnell erledigt, dafür haben wir ja unsere beiden Fundamentalformeln:
  • Der Raumwinkel beträgt exakt $2(\arccos(-1/3) + 2\arccos(1/\sqrt3)-\pi)$,
  • die Raumwinkelsumme das Sechsfache, also relativ zum Vollkreis rund 0,6490406878163563789748.
8. Die erstaunliche Erkenntnis

Vielleicht ist es euch schon aufgefallen, vielleicht auch nicht; ich jedenfalls verdanke dem Betreiber dieser bunten Seite die Frage, ob denn nicht Summe der Raumwinkelsummen zweier Tetraeder (also der Raumwinkelsumme eines Tetraedersternes, wenn man so will) und der Raumwinkelsumme eines Okateders, relativ zur Kugel bemessen, genau und exakt $1$ ergeben.

Kurze Antwort: ja, die Summe ist genau $1$.

Lange Antwort: Wir brauchen zwei Theoreme für den Arkuskosinus. Das erste ist recht überschaubar und lässt sich auch gut verstehen: $$\arccos(-x) = \pi - \arccos(x).$$Das zweite ist etwas umständlicher und viel Spaß bei der Herleitung: Für Zahlen $x, y$ mit $x+y\geq 0$ gilt $$\arccos(x) + \arccos(y) = \arccos\left(xy - \sqrt{(1-x^2)(1-y^2)}\right).$$Wendet man dies nun auf den in Frage stehenden Term$$\frac{6(2(\arccos(-1/3) + 2\arccos(1/\sqrt3)-\pi))+ 8(3\arccos(1/3)-\pi)}{4\pi}$$an, so erlebt man wahrlich eine fröhliche halbe Seite voller Terme, die sich wegkürzen. Ich mag nun nicht die gesamte Rechnung aufschreiben, das bekommt ihr schon hin, aber ich möchte einen Teil zeigen, der so wunderbar passt und die gesamte Magie ausmacht: $$\arccos\left(\frac 13\cdot\frac 1{\sqrt3}-\sqrt{\left(1-\frac 19\right)\left(1-\frac 13\right)}\right) = \arccos\left(-\frac 1{\sqrt3}\right).$$Rechnet es nach, es stimmt!

9. Eine einfache Erklärung

Wann immer man eine erstaunliche Entdeckung gemacht hat (und mal ehrlich: wenn sich zwei seltsame Zahlen, die auf den ersten Blick nicht viel gemein haben, am Ende zu $1$ addieren, ist das erstaunlich) fragt man natürlich nach einer einfachen Erklärung. Was kann man da tun?

Einerseits könnte man natürlich versuchen, die Raumwinkelsumme mit den genannten Additionstheoremen zu vereinfachen (auf Wikipedia findet man gekürzte Darstellungen, aber ich hab mir das nicht angeschaut, da die gekürzte Darstellung jeden Hinweis auf die Herkunft der Formeln verliert), und vielleicht kann man dann diese Zahlen auch leichter bestimmen, wer weiß. Seltsam bleiben sie dennoch.

Andererseits könnte man auch diese komischen Zahlen beiseite lassen und sich allein überlegen, ob man einfacher erklären kann, dass ihre Summe exakt $1$ ergibt. Das nun ist nicht so schwierig, wie es klingt, es ist sogar der leichteste Teil dieses Artikels (der anschaulich klar ist, mit Worten aber etwas länglich beschrieben werden wird). Dazu entsinnen wir uns an den einfachen Einstieg: Alle acht Ecken eines Würfels ergeben zusammen den vollen Raumwinkel von $4\pi$, denn in jede seiner Ecken können wir eine Achtel-Kugel legen. Wenn wir nun einen Weg finden, eine Ecke eines Würfels mit Tetraeder- und Oktaederecken lückenlos und überlappungsfrei auszufüllen, sollten wir das Rätsel gelöst haben.
Dazu nun oben eine Skizze, die für sich selbst spricht und dennoch erläutert wird: Wir können einen Tetraeder mit Leichtigkeit konstruieren, indem wir zuerst einen Würfel konstruieren (hier dargestellt im Schrägbild) und dann vier seiner Ecken, die jeweils paarweise nicht benachbart sind, auswählen: diese bilden die Ecken des Tetraeder, die Strecken zwischen ihnen die Kanten (rot). Da jede solche Kante eine Diagonale eines der gleichgroßen Quadrate ist, die die Seiten des Würfels bilden, sind alle vier Kanten gleichlang, wir haben also wirklich einen Tetraeder konstruiert.

Nun schauen wir auf die Ecke des Würfels, die sich ganz oben rechts im Bild befindet (dick schwarz). Eine Tetraederecke sticht dort hinein und es bleiben drei Räume übrig, die noch gefüllt werden müssen. Jeder dieser drei Räume wird von einer Seite des Tetraeders und drei Kanten des Würfels begrenzt. Da die Situation symmetrisch ist, wählen wir eine Seite (rot) und die zugehörigen drei Kanten (dick schwarz) aus. Können wir diesen Raum mit einem Oktaeder in Beziehung bringen? Natürlich, und zwar so:


Der Würfel von eben ist geblieben, dazu haben sich drei neue gesellt, und alle vier Würfel sind gleichgroß. Die roten Strecken sind demnach als Diagonalen der Würfelseiten allesamt gleichlang, womit sie Kanten eines Oktaeders sind (eine Hälfte von diesem ist zu sehen, die andere würde in deine Richtung aus dem Bildschirm heraus treten). Offensichtlich wird die Oktaederecke, die in dem dicken schwarzen Punkt liegt, durch die Würfel geviertelt, und uns bleibt die folgende Erkenntnis:

Eine Würfelecke setzt sich zusammen aus einer Tetraederecke und drei Vierteloktaederecken. Somit setzen sich alle acht Würfelecken zusammen aus acht Tetraederecken und sechs Oktaederecken. Das heißt, die Raumwinkelsumme eines Würfels ist gleich der Summe der Raumwinkelsumme eines Tetraedersterns (mit acht Tetraederecken) und der Raumwinkelsumme eines Okateders (mit sechs Oktaederecken).

10. Was bleibt?

Wir kennen nun eine recht einfache algorithmische Methode, die Raumwinkel eines Körpers zu bestimmen:
  • Wähle dein Koordinatensystem so, dass die fragliche Ecke im Nullpunkt liegt und dass die von ihr ausgehenden Kanten Länge 1 haben (wähle notfalls andere Punkte auf der Kante als die Eckpunkte).
  • Trianguliere (Tetraeliere?) die Pyramide, die aus dem Ursprung und den betrachteten Kanten besteht, in eine Sammlung von (unregelmäßigen) Tetraedern und berechen zu jedem die Fläche des Kugeldreiecks, dessen drei Eckpunkte jeweils nicht der Ursprung sind. Nutze dafür die erste und die zweite Fundamentalformel.
  • Nutze Symmetrieen, die gleich große Winkel sowohl im Kugeldreieck als auch im Raum ergeben, und addiere am Ende alle Teilergebnisse auf.
Weiterhin können wir auch naiv-geometrisch an die Sache herangehen (ohne freilich den Wert der meisten Raumwinkel exakt bestimmen zu können).

Es stellt sich abschließend die Frage, ob es noch weitere einfache Körper gibt, deren Raumwinkelsummen einzeln recht krumm sind, die aber in der Summe mit anderen Raumwinkelsummen eine glatte Zahl (relativ zu $4\pi$) ergeben. Es heißt also einmal wieder: viel Spaß beim fröhlichen Rechnen! :)

11. Ergänzung 1: Ein leichterer Rechenweg

Wenn man sich die Arbeit leichter machen will, so kann man auch auf das zweite oben genannte Additionstheorem verzichten (es lässt sich übrigens leicht herleiten, wenn man den trigonometrischen Pythagoras nutzt, also los, nun leitet es schon her und lest hier nicht nur mit). Dafür muss man lediglich eine kleine Additionsaufgabe durchführen: Wenn wir den gemeinsamen Raumwinkel zweier Kugeldreiecke mit den Winkeln $\alpha_i$, $\beta_i$ und $\gamma_i$ berechnen, so durch die Formel $$(\alpha_1 + \beta_1 + \gamma_1 - \pi) +( \alpha_2 + \beta_2 + \gamma_2-\pi).$$ Sollten nun allerdings die beiden Dreiecke aneinander grenzen und ein Kugelviereck bilden, und zwar eines mit den Winkeln $$\alpha = \alpha_1, \quad \beta = \beta_1+\beta_2,\quad \gamma = \gamma_1 + \gamma_2,\quad\delta = \delta_1,$$ so berechnet sich folglich der Raumwinkel des Vierecks, der nichts weiter ist als die Summe der Raumwinkel der Dreiecke, zu $$\alpha + \beta + \gamma + \delta - 2\pi.$$ Dies erlaubt uns, den Raumwinkel einer Oktaederecke leichter zu bestimmen: Diese spannt ein Kugelviereck auf, dessen vier Innenwinkel alle gleich groß sind, und zwar gleich $\alpha = \arccos(-1/3)$, wie wir oben berechnet haben. Folglich:
  • Der Raumwinkel einer Oktaederecke beträgt $4\arccos(-1/3) - 2\pi$.
Daran erkennt man leicht, dass sich die Raumwinkelsumme eines Oktaeders und eines Tetraedersterns zu vollen $4\pi$ aufsummieren, denn diese Summe ist gleich $$6(4\arccos(-1/3) - 2\pi) + 8(3\arccos(1/3)-\pi) = 24[\arccos(-1/3) + \arccos(1/3)] -20\pi = 4\pi.$$ Die einzige Formel, die hier noch wichtig war, ist $\arccos(-x) + \arccos(x) = \pi$. Dies erlaubt, genauer zu sehen, weshalb sich die Raumwinkel zu einer glatten Summe aufsummieren: Die krummen Arkuskosinus-Terme heben sich weg und übrig bleibt ein Vielfaches von $\pi$, das nicht mehr krumm ist, wenn man die Werte relativ zum vollen Raumwinkel $4\pi$ betrachtet: übrig bleiben rationale Verhältnisse, in diesem Spezialfall das Verhältnis $1$. Dieses Prinzip dürfte sich auch in anderen Körper-Konstellationen finden; man muss lediglich darauf achten, ob die Argumente im Arkuskosinus komplementär zueinander sind.

12. Ergänzung 2: Eine kleine Übersicht

Aus dem eben genannten Grund ist es nützlich, eine Tabelle mit verschiedenen Raumwinkeln verschiedener Körper aufzustellen, wobei die einzelnen Raumwinkel, so wie bislang durchgeführt, stets in der Form "Summe der Winkel - Vielfaches von $\pi$" angegeben werden.
  • Tetraeder: $4$ Ecken zu je $3\arccos(1/3)-\pi$  
  • Würfel: $8$ Ecken zu je $\pi/2$
  • Oktaeder: $6$ Ecken zu je $4\arccos(-1/3) - 2\pi$
  • Dodekaeder: $20$ Ecken zu je $3 \arccos(-1/\sqrt 5) - \pi$
  • Ikosaeder: $12$ Ecken zu je $5\arccos(-\sqrt{5}/3) - 3\pi$
  • Ikosaederstern: $20$ Ecken zu je $3\arccos(1/\sqrt{5}) - \pi$
  • Dodekaederstern: $12$ Ecken zu je  $5\arccos(-1/\sqrt{5}) - 3\pi$
Man erkennt an diesen knappen Formeln viel besser als an gerundeten Werten, welche Raumwinkel sich rund aufsummieren.
  • Zwei Tetraeder und ein Oktaeder haben eine Raumwinkelsumme von $24\pi - 20\pi = 4\pi$
  • Ein Würfel hat eine Raumwinkelsumme von $4\pi$
  • Ein Ikosaederstern und ein Dodekaeder haben eine Raumwinkelsummen von $60\pi-40\pi = 20\pi$.
  • Ein Ikosaederstern und ein Dodekaederstern haben eine Raumwinkelsumme von $60\pi - 56\pi = 4\pi$
  • Dodekaeder und Dodekaederstern basieren auf demselben dualen Arkuskosinus zum Ikosaederstern. Die Differenz ihrer Raumwinkelsummen beträgt $36\pi - 20\pi = 16\pi$ (dies folgt auch direkt aus den beiden oberen Punkten, stellt also keine neue, unabhängige Erkenntnis, sondern eine zwingende Folgerung dar).
Es ist interessant, dass sich manche Raumwinkel glatt aufsummieren, leider gibt es keine schöne Regelmäßigkeit zwischen den verschiedenen Summen. Interessant wäre eine Zerlegung der Kugel in Teile aus Dodekaeder, Ikosaeder- und Dodekaedersternen, allerdings konnte ich bislang keine finden, da streikt mein räumliches Vorstellungsvermögen. So bleiben nur die Summen, die sich ausnahmslos auf das simple Additionstheorem stützen und leider keine tiefere Erkenntnis über den Arkuskosinus liefern.

Die fehlenden Berechnungsskizzen folgen in den nächsten Ergänzungen.

13. Ergänzung 3: Der Dodekaeder

Widmen wir uns also dem Dodekaeder. Es gibt die Möglichkeit, zuerst den Ikosaeder zu konstruieren und dann daraus einen Dodekaeder, oder aber, man konstruiert direkt eine Dodekaederecke mit erheblich mehr Aufwand. Es liegt klar auf der Hand, dass wir dem zweiten Weg folgen werden :3

Um unsere Dodekaederecke mit Vektoren zu konstruieren, beschäftigen wir uns zuerst mit einer seiner Seitenflächen, also einem gleichseitigen Fünfeck. Unten seht ihr eines, das ein wenig verzerrt dargestellt ist. Das liegt nicht etwa daran, dass ich kein regelmäßiges Fünfeck konstruieren könnte, sondern daran, dass ich es euch nicht zu leicht machen möchte, meinen Gedanken zuzustimmen. Wenn nämlich alles schon schön symmetrisch und gleich groß ausschaut, dann könnte bei euch der Gedanke aufkommen, dass gar nichts mehr zu zeigen wäre. Dem ist aber nicht so.
Beginnen wir also mit den Winkeln. Alle rot markierten Winkel sind untereinander gleich groß und auch alle grün markierten. Dies liegt an der Symmetrie des regelmäßigen Fünfecks: Würden wir es um den Mittelpunkt drehen oder entlang einer Geraden durch Mittelpunkt und Ecke spiegeln, würde sich nichts ändern - daher müssen die Winkel, die zueinader symmetrisch sind, allesamt gleich groß sein.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob auch ein grüner Winkel $\gamma$ so groß ist wie ein roter $\rho$. Wir können dies überprüfen, indem wir ein paar Gleichungen aufstellen:

Im Dreieck ABC beträgt die Innenwinkelsumme genau $\pi$ (wir könnten auch 180° nehmen, aber letztlich ist $\pi$ die sinnvollere Bezeichnung, vor allem im Kontext dieses Artikels), ebenso im Dreieck ABD. Wir erhalten damit: $$4\gamma + \rho = 2\gamma + 3\rho\quad\Longleftrightarrow\quad\gamma = \rho.$$ Der grüne Winkel $\gamma$ ist also in der Tat genau so groß wie der rote Winkel $\rho$ (und beide haben die Größe $\pi/5$).

Kümmern wir uns nun um die Länge der Diagonalen (alle sind natürlich gleich lang, das liegt wieder an der Symmetrie). Dazu nutzen wir einfach, dass die Dreiecke ABD und ABS zueinander ähnlich sind (da sie dieselben Innenwinkel besitzen). Es habe nun das Fünfeck die Kantenlänge $1$ und es sei $d$ die Länge der Diagonalen, dann gilt nach einem Ähnlichkeitssatz und der Lösungsformel für quadratische Gleichungen $$\frac{d-1}1 = \frac 1d\quad\Longleftrightarrow\quad d = \frac 12(1+\sqrt 5),$$ die Diagonale hat also als Länge die Goldene Zahl (hübsch, nicht?).

Diese Zahl nutzen wir nun aus, und zwar legen wir eine Ecke des Dodekaeders in den Ursprung und drehen ihn so, dass die benachbarten Ecken folgende Form haben: $$A=\left( \begin{array}{c} d/\sqrt 3\\0\\z\end{array}\right),\quad B=\left( \begin{array}{c} -d/(2\sqrt 3)\\d/2\\z\end{array}\right),\quad C=\left( \begin{array}{c} -d/(2\sqrt 3)\\-d/2\\z\end{array}\right).$$ Man rechnet leicht nach, dass diese drei Punkte ein gleichseitiges Dreieck mit Kantenlänge $d$ bilden (und man vollziehe die folgende Konstruktion nach: Zuerst konstruiere man sich ein gleichseitiges Dreieck, das symmetrisch zur x-Achse und zum Ursprung liegt, und dann skaliere man es so, dass die Seitenlänge $d$ beträgt). Es bleibt noch, $z$ so zu wählen, dass der Abstand aller drei Punkte zum Ursprung genau $1$ ist. Dazu genügt es, $z$ als positive Lösung der Gleichung $$\frac{d^2}3 + z^2 =1$$ zu wählen, wie man sich schnell überzeugt. Es gilt $$z = \sqrt{\frac{3-\sqrt 5}6},$$ aber das ist keine Zahl, die man sich merken müsste. Für spätere Rechnungen ist allein der Zusammenhang zwichen $d^2$ und $z^2$ von Interesse.

Wir haben also unsere drei Eckpunkte gefunden und es bleibt, die übliche Rechnung durchzuführen, die aufgrund der Symmetrie recht schnell von der Hand gehen, wenn man nicht auf die irrsinnige Idee kommt, die Zahlenwerte von $d$ und $Z$ einzusetzen. $$A\times B = \left( \begin{array}{c} -dz/2\\-\sqrt 3 dz/2\\d^2/(2\sqrt 3)\end{array}\right),\quad A\times C =\left( \begin{array}{c} dz/2\\-\sqrt 3 dz/2\\d^2/(2\sqrt 3)\end{array}\right)$$ Die Berechnung des Skalarproduktes und der Normen ist ein Kinderspiel und wir erhalten die hübsche Formel $$\cos(\alpha) = \frac{\frac{(dz)^2}2 - \frac {d^4}{12}}{(dz)^2 + \frac{d^4}{12}} = \frac{2-d^2}{4-d^2} = -\frac{1}{\sqrt 5}.$$ Wie üblich habe ich einige Rechenschritte ausgelassen. Ersetzt man jedoch zuest $z^2$ mit obiger Formel, fasst zusammen und setzt dann den Wert $d^2 = (3+\sqrt 5)/2$ ein, gelangt man schnell zum Ziel.
  • Der Raumwinkel einer Dodekaederecke beträgt $3\arccos(-1/\sqrt{5}) - \pi$. 

14. Ergänzung 4: Der Ikosaeder

Anstatt den Ikosaeder per Hand zu konstruieren, möchte ich eine wunderbar einfache Konstruktionsmöglichkeit nutzen: Alle Ecken des Ikosaeders sind Ecken eines dreidimensionalen goldenen Kreuzes. Was das ist, seht ihr hier (oder auch animiert):

Das blaue, grüne und rote Rechteck haben jeweils die Kantenlängen $1$ und $d$ (wir erinneren uns: $d$ bezeichnet bei uns die Goldene Zahl). Diese liegen senkrecht zueinander und schneiden sich im Koordinatenursprung. Der Einfachheit halber strecken wir das Konstrukt mit dem Faktor $2$ (dies ändert nichts an unseren Formeln, da diese stets nur Winkel berechnen; wichtig ist allein, dass alle Kanten, die vom gewählten Ursprung ausgehen und einen Winkel bilden, gleich lang sind) und erhalten: Alle Punkte eines Ikosaeders mit Kantenlänge $2$ lassen sich darstellen als $$(0,\pm1,\pm d),\quad (\pm 1, \pm d, 0),\quad (\pm d,0,\pm 1).$$ Man rechnet schnell nach, dass die Abstände dieser Punkte zueinander wirklich gleich $2$ sind, wobei einem hier und auch später die Formel $$1 + d = d^2$$ ihren Dienst erweist.

Im Gegensatz zu oben haben wir nun nicht eine Ecke im Ursprung liegen, sondern den Schwerpunkt des Ikosaeders. Dies soll uns aber nicht stören, denn wenn wir von den Vektoren $B$, $C$ und $D$ einfach $A$ abziehen, befinden wir uns in der Standardsituation. Es bleibt, sich für Koordinaten zu entscheiden (man überprüfe, dass meine Wahl wirklich mit dem Ikosaeder in Einklang zu bringen ist) und dann zu rechnen. Wir werden hiermit arbeiten: $$A=\left( \begin{array}{c} 0\\1\\-d\end{array}\right),\quad B=\left( \begin{array}{c} 1\\d\\0\end{array}\right),\quad C=\left( \begin{array}{c} d\\0\\-1\end{array}\right),\quad D=\left( \begin{array}{c} -1\\d\\0\end{array}\right)$$ Ist dies gesetzt, so ist es leicht, mit der Formel $1+d = d^2$ die Kreuzprodukte zu bestimmen: $$(B-A)\times (C-A) = \left( \begin{array}{c} 2\\2\\-2\end{array}\right),\quad (B-A)\times (D-A) =\left( \begin{array}{c} 0\\-2d\\2d-2\end{array}\right)$$ Es bleibt, die zweite Fundamentalformel anzuwenden: $$\cos(\alpha) = \frac{-8d+4}{12} = -\frac{\sqrt{5}}3.$$ Da von jeder Ecke fünf Kanten ausgehen, erhalten wir:
  • Der Raumwinkel einer Ikosaederecke beträgt $5\arccos(-\sqrt{5}/3) - 3\pi$.  
15. Ergänzung 5: Der Ikosaederstern

Der Ikosaederstern ist nun kein platonischer Körper mehr, aber immerhin regelmäßig. Um ihn zu konstruieren, verlängert man die Kanten eines Ikosaeders über ihre Ecken hinaus, bis sie sich anderswo schneiden. Um solche Punkte zu bestimmen, brauchen wir nun auch die Punkt $B'$, $C'$ und $A'$ in der Skizze von oben:


Wir werden nämlich den Schnittpunkt der Geraden $AA'$, $BB'$ und $CC'$ bestimmen. Wir erinnern uns, dass wir eine Gerade $AA'$ mittels Punkt-Richtungsform darstellen können, indem wir zu dem Stützvektor $A$ ein skalares Vielfaches des Richtungsvektors $A-A'$ hinzuaddieren. Wir erinnern uns: $$A=\left( \begin{array}{c} 0\\1\\-d\end{array}\right),\quad B=\left( \begin{array}{c} 1\\d\\0\end{array}\right),\quad C=\left( \begin{array}{c} d\\0\\-1\end{array}\right)$$ Dazu kommen nun noch $$A'=\left( \begin{array}{c} -d\\0\\-1\end{array}\right),\quad B'=\left( \begin{array}{c} 0\\1\\d\end{array}\right),\quad C'=\left( \begin{array}{c} 1\\-d\\0\end{array}\right)$$(man überlege sich wieder anhand der Skizze, dass das wirklich passende Koordinaten sind). Berechnet man nun die Punktrichtungsgleichungen mit Parameter $k$ und setzt alle drei gleich, so gibt es einen Schnittpunkt $$S= A + k(A-A') = B + k(B-B') = C + k(C-C')$$ genau dann, wenn $$kd = 1+k = d + k(d-1).$$ Die eindeutige Lösung dieser Gleichung ist $k=d$ und wir erhalten $$S=(d^2,d^2,-d^2).$$Nun folgt das bekannte Spielchen: $$(A-S)\times (B-S) = \left( \begin{array}{c} -2d\\2(1+d)\\0\end{array}\right),\quad (A-S)\times (C-S) =\left( \begin{array}{c} 0\\2d\\2(1+d)\end{array}\right).$$Ein bisschen Rechnerei führt uns dann zu $$\cos(\alpha) = \frac{2d+1}{4d+3} = \frac 1{\sqrt{5}}.$$Da wir hier nur drei Kanten pro Ecke haben, folgt:
  • Der Raumwinkel einer Ikosaedersternecke beträgt $3\arccos(1/\sqrt{5}) - \pi$.  
Übrigens sei am Rande erwähnt, dass die Zacken des Ikosaedersterns einen regelmäßigen Dodekaeder ergeben. Die Symmetrie ist nicht ganz so schön wie im nächsten Beispiel, gibt jedoch einen Hinweis darauf, wieso es einen Zusammenhang zwischen Ikosaederstern und Dodekaeder gibt. Mir persönlich schwirrt aber der Kopf, wenn ich mir so ein Teil vorstelle. Sollte ich jemals ein Modell in meine Hände bekommen, sag ich mehr dazu.

16. Ergänzung 6: Der Dodekaederstern

Wir beschäftigen uns nun mit dem letzten regelmäßigen Körper, der noch schöne Ecken aufweist, dem Dodekaederstern. Er entsteht, wenn man die Kanten eines Dodekaders verlängert, bis sie sich mit vier anderen schneiden. Um ihn zu konstruieren, könnten wir nun wieder den langen Weg einschlagen und zuerst ein Dodekaeder vollständig konstruieren und folgend wie eben beim Ikosaederstern argumentieren. Dies wäre auch nicht allzu schwer, da der Dodekaeder zum Ikosaeder dual ist, wir somit durch die Mittelpunkte der Seiten des Ikosaeders ein Dodekaeder beschreiben können.

Wir können aber auch etwas schneller zum Ziel kommen, indem wir ausnutzen, dass die Ecken eines Dodekaedersterns ein regelmäßiges Ikosaeder aufspannen. Wir müssen also lediglich die zugehörigen Ecken im Ikosaeder identifizieren. Vergleicht man aufmerksam die Bilder von Dodekaederstern und Ikosaeder, so können wir die schon bekannten Punkte $A'$ als Eckenursprung, $C$, $B$ und $B'$ als anliegende Ecken nutzen, wobei wir den Winkel bei $B$ berechnen möchten.

So leicht gesagt, wie getan, es gilt $$\cos(\alpha) = - \frac{2d+1}{4d+3} = - \frac 1{\sqrt{5}}.$$Auffällig ist, dass wir hier exakt denselben Bruch in Termen von $d$ erhalten wie eben beim Ikosaederstern. Die Dualität ist sichtlich stark.
  • Der Raumwinkel einer Dodekaedersternecke beträgt $5\arccos(-1/\sqrt{5}) - 3\pi$. 
17. Was bleibt? 2

Im Raum gibt es leider nur wenige sehr regelmäßige Körper. Wir haben die platonischen und dann ein paar Sterne. Verabschiedet man sich allerdings von allzuviel Symmetrie, ergeben sich neue Gruppen von Körpern, auch mit einspringenden Ecken oder Löchern, gar unendliche Körper, und auch viel verrücktere Symmetrien. Für all diese Körper ist es ein Leichtes, den Raumwinkel jeder Ecke zu bestimmen, sobald man ein vernünftiges Modell des Körpers hat. Neben diesen Winkeln gibt es allerding auch noch viel mehr interessante, zahlentheoretische, algebraische und topologische Eigenschaften. Meine Neugierde allerdings ist an diesem Punkt fürs Erste gestillt und ich übergebe den Stift an meine eifrigen Leser.

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