Dienstag, 24. März 2015

3C

In der Liebe geht es, wie sollte es anders sein, um Gefühle, nicht um die Ratio. Wer hat das behauptet, wer hat es bewiesen? Und wieso glaubt man dennoch daran? Was wäre, wenn man nicht auf den Bauch hören, nicht die ersten Tage entscheiden lassen würde, sondern einen längeren Test abhalten würde, um das Mögliche zu erkennen? Und was wäre, wenn man dazu gezwungen wäre?

Ein Text über diese Frage. Einfach so. Als hätte ich Hintergedanken.

September 2013


3C

Nehmt sechs Wissenschaftler (männlich: A, B, C; weiblich: 1, 2, 3) und erstellt eine Analyse. Wie gut passen sie zusammen, als Paar? Verrechnet dazu alle greifbaren Daten der Personen und aus der Statistik. Alles. Ihr könnt das. – Das Ergebnis sieht so aus:




A
B
C
1
87
91
72
2
89
86
79
3
72
78
65


Nun berechnet, welche Kombination den größten Nutzen bringt; addiert einfach für jede der sechs Möglichkeiten die Werte auf, oder bildet die Mittelwerte, das ist egal. Fertig? Dann ist alles klar: Wenn man keine andere Wahl hat, bilden 1 und B, 2 und A und 3 und C ein Pärchen, auf Einzelschicksale wird keine Rücksicht genommen. So ist das.


Ein abstraktes Gedankenexperiment. Wer benennt schon mit einzelnen Symbolen, wer reduziert schon auf eine solch kleine Population? Wer? Ist das wichtig? Nein, denn es ist geschehen. Just in diesem Augenblick. Präsens.


3: Bringen wir es also hinter uns. Es wird ein grausames Leben, 65 Punkte von mindestens 91 möglichen!
C: Immerhin mehr als zwei Drittel, das kann etwas werden.
3: Oder aber nur 65 Prozent – wenn nicht gar noch weniger, vielleicht waren 1000 zu erreichen.
C: Wie dem auch sei: Wollen wir es nicht genießen?
3: Wie denn genießen? Ein drittklassiger Buchstabe und eine Zahl mit Ecken und Kanten? Das Ergebnis steht fest, es wird grauenhaft.
C: Ist dem so?
3: Das Ergebnis! Wir passen nicht zusammen.
C: Wollen wir uns nicht erst einmal kennen lernen?


Beide sitzen zu Tisch, vor ihnen zwei leere Teller, die rationierten Vorräte wollten sie nicht aufbrauchen. Romantisch ist es nicht, um sie herum stehen surrende Maschinen und zeichnen auf, es ist stickig und eng – ihren Ort könnte man als Abstellkammer bezeichnen. Die anderen vier sollen nichts bemerken, hatte 3 gemeint.


Ein netter Gruß fällt gleich zu Anfang, dann folgt für lange Zeit kein Wort. Welches auch? Sie kennen die Daten, sie brauchen sie nicht zu überprüfen. In manchen Dingen stimmen sie überein, in manchen nicht – und wen kümmert das Wetter? Ein kleiner Witz könnte die Stimmung lösen, doch würde sie nicht lachen. Ihr Humor stimmt nur zu 37 Prozent überein, zu wenig. Er versucht es dennoch:


C: Eine Kugel …
3: ?
C: …


Er versucht es nicht. Es muss eine andere Art geben. Überraschend, unerhofft, neu.


3: Kennst du Stein-Schere-Papier?
C: Natürlich. Ein faires Spiel, aber auch psychologisch beeinflussbar. Nimmt man zuerst den Stein, erhöhen sich die Chanc…
3: Jaja, schon gut. Eine blöde Frage.
C: Ja, du hättest in der Datenbank nachfor…
3: Ja, Mensch!
C: …
3: Ich wollte dir nur vorschlagen, es mit zwei Händen zu spielen.
C: Für jeden Spieler?
3: Genau! Eine untere und eine obere Hand, und dazu eine vierte Figur mit Stärken und Schwächen und einer neutralen Gegnerschaft, vielleicht auch eine fünfte, je nachdem, wie wir die Zugreihenfolge klären.
C: Lass es uns testen.


Sie sitzen auf ihrem Bett, gehen im Kopf das Spiel durch und lächeln etwas. Nebenan hören sie 1B und 2A. Diese passen gut zu einander, diese müssen sich nicht quälen, diese sorgen für den Erhalt der Welt. 3 und C jedoch sorgen sich um die 65. Was soll das nur werden? Wenn sie es einfach akzeptieren würden, wäre es leichter. Die Gemeinschaft profitiert, und sie beide leisten ihren Anteil. Was nicht passt, das wird passend gemacht, und somit beginnt 3, sich zu entkleiden.


C: Was tust du denn? Soll ich das Zimmer verlassen?
3: Nein, bleib hier.
C: Ich kann auch das Licht löschen, wenn du magst.
3: Ja, das wäre gut.
C: Doch wieso …
3: Rede nicht so viel. Es muss doch sein.
C: Wir kennen uns doch gar nicht.
3: Wenn wir warten, steigen die Risiken. Nimm es hin.
C: Willst du das denn wirklich?
3: Es ist nur logisch.
C: Natürlich. Aber mein Gefühl spricht dagegen.
3: Meines auch. Doch dafür ist es zu spät.


Daraufhin verlässt C das Bett. Er geht durch den Raum, er geht durch den Flur, weiter durch den langen Gang und in sein Labor, das er hinter sich abschließt. Dann setzt er sich an seinen Schreibtisch und erstellt ein neues Dokument, welches er sogleich mit 3 teilt. Sie beide gehören zusammen, das hatte das Schicksal bestimmt, indem es festen Regeln folgte. Das Herz jedoch kann es nicht beeinflussen, das ist nur ihnen selbst möglich.


Die gesamte Nacht sitzen sie über den Zeichen, verschieben und ordnen, gewichten und verbinden sie, bis sie ihr Werk vollendet haben. Es trägt den Titel »73 Schritte«, so viele hatte C insgesamt zurückgelegt, diese Zahl war so gut wie jede andere auch.


Ein jeder Schritt würde eine Hürde einreißen, die zwischen ihnen stand, und sie etwas näher zusammenbringen. Es war nicht vorgesehen, diese in einer strengen Reihenfolge abzuarbeiten, es gab Abzweigungen und Ansammlungen. Am Ende, wenn sie jeden Schritt gemeistert hätten, würden sie jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit das fühlen, was sie fühlen mussten und auch fühlen wollten.


3: Wird das funktionieren?
C: Wir glauben fest daran.

Die Wahl der Qual

Dies ist ein Dialog über die Liebe, in den ich einen wohlbekannten Witz und einige aktuelle Gedanken eingebaut habe mehr nicht.

Dezember 2013
 
 
Die Wahl der Qual

Im Jahre 2023 könnte sich das folgende Gespräch zutragen, an welchem Frau Jen June Equal, ihres Zeichens unter anderem freiberufliche Journalistin, und Herr Loki Escherichia Nox, Mathematiker, teilnehmen. Das Ziel des kompetenten wie auch adretten Weibchens wird es sein, dem recht eigenwilligen Männchen ein paar Worte über seine Gedanken zur Liebeswelt zu entlocken, um in ihrem Bericht über die Lebenswelt dieser verschrobenen Akademiker möglichst viele Aspekte zu betrachten.

Fr. Equal: »Einen schönen guten Tag, Herr Nox.«

Hr. Nox nickt ihr stumm zu.
Fr. Equal: »Also gut, vertrödeln wir keine Zeit mit sozialen Konventionen. Was hält ein Mathematiker von der Liebe?«

Hr. Nox: »Die Liebe, sagen Sie? Oh, da müssen wir erst einmal definieren, um was es sich bei der Liebe handelt, gute Frau. Man kann doch nichts besprechen, was man nicht kennt. Darüber freilich streiten sich die Philosophen schon Jahrtausende was ist Liebe, was ist Liebschaft, was ist Liebelei? Wir könnten uns darauf einigen, dass Liebe etwas mit Vertrauen und Geborgenheit zu tun hat, und Verliebtheit mit blödsinniger Hormongefolgschaft, aber auch auf etwas ganz anderes. Doch selbst, wenn wir uns im Klaren wären, worüber wir sprechen, wäre es doch immer noch fraglich, wie dieses Ding namens Liebe eingeschätzt werden sollte. Man müsste sich eine Skala überlegen, verschiedene Faktoren, geeignete Annahmen und Mittellungen, und am Ende wäre das Ergebnis doch noch recht weit von objektiver Allgemeingültigkeit entfernt. Damit ist die Liebe, aus mathematischer Sicht, ein hochkomplexes Mysterium, das nur in einfachen, recht weltfremden Spezialfällen verstanden ist.«

Fr. Equal: »Ich sehe schon, wir haben es mit einem großen Problem zu tun.«

Hr. Nox: »In der Tat, junge Frau. Zumal zur Liebe der Regel nach auch zwei Personen gehören, womit wir den Bereich der reinen Vernunft ver- und uns auf Spekulationen einlassen müssen. Sie kennen gewiss das Problem des einseitigen Verlangens, welches unter Umständen ein beidseitiges ist. Dem Verliebten stellt sich in diesem Moment die Frage, was wohl der Geliebte denken mag mathematisch haben wir es mit einem Wahrscheinlichkeitsmodell zu tun. Jedem möglichen Zustand der Welt, beispielsweise ›Sie nutzt mich zur Zeit nur aus, aber in zwei Wochen werde ich sie von mir überzeugt haben‹ oder ›Er liebt mich ebenfalls, aber schon morgen wird er wieder mit seiner Ex zusammen sein, weil er denkt, bei mir keine Chance zu haben‹ wird eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet, die mit jeder Aktion des anderen und auch mit jedem Gedanken eines selbst verändert wird, woraufhin die eigenen Handlungen dem Erwartungswert gemäß angepasst werden.«

Fr. Equal: »Dann lassen Sie mich das Problem auf eine einfache Frage zurückführen: Ist es für Sie als Mann besser, eine Frau zu haben oder eine Geliebte?«

An diesem Punkt teilt sich das zukünftige Gespräch in drei verschieden-wahrscheinliche Szenarien auf, denen ihrer Wahrscheinlichkeit gemäß Rechnung getragen werden soll.

Hr. Nox, der Statistiker: »Studien gemäß erhöht sich die Lebenserwartung eines Mannes mit der Heirat um ganze zwei Jahre, eine Frau ist also einer Geliebten vorzuziehen und, wenn mir diese Anmerkung gestattet ist, diese Frau sollte nicht betrogen werden, da das in jungen Jahren so anregende Abenteuer des Seitensprungs im Alter recht oft zu einer Herzinsuffizienz führt.«

Hr. Nox, der anwendende Mathematiker: »Es wäre mir recht, mein Glück nicht dem klassischen Sinn gemäß mit nur einer einzigen Frau oder gar nur einer einzigen Geliebten zu suchen. Dieses Modell ist weitgehend verstanden und eine normative Standardannahme. Um diverse Voraussagen zu überprüfen, auch was die Diversität der erzeugten Gene angeht, sollte man nicht unter zehn Geliebten die Freude bereiten. Mein verehrter Kollege Nox aus der Paralleldimension wird mir zustimmen, dass diese Zahl dem statistischen Mittel an Partnerinnen entspricht, sodass wir uns ohne moralische Gewissensbisse der Forschung widmen können. Leider war es mir bisher nicht vergönnt, eine Dame zu finden, die diesen Gedanken mit mir teilt.«

Hr. Nox, der reine Mathematiker: »Zu dieser Frage möchte ich gerne ein Theorem formulieren, welches vollständig klären wird, wieso ich die folgenden Voraussetzungen als optimal erachte:
  1. Mir ist eine Frau zur Seite gestellt,
  2. zudem verfüge ich über eine Geliebte,
  3. wobei beide diese Subjekte der meinigen Gattung zugeordnet sind,
  4. während die Frau ohne Groll von der Geliebten weiß,
  5. und die Geliebte gleichsam von der Frau;
wobei zugegeben die Eigenschaften (3) und darauf aufbauend der nicht vorhandene Groll sehr einschränkend sind. Sei dies jedoch gegeben, so lässt sich folgender Beweis führen: Wenn die nach (1) existierende Frau denkt, ich sei bei der nach (2) existierenden Geliebten, was ohne Zweifel möglich ist, da sie nach (4) von ihr weiß, und wenn zugleich die nach (2) existierende Geliebte denkt, ich sei bei der wiederum nach (1) existierenden Frau, was ein nach (5) plausibler Gedanke ist, und wenn beide gemäß (4) und (5) nicht damit beschäftigt sind, mir nachzustellen, so kann ich ihre Annahme leicht falsifizieren, indem ich mich weder bei der nämlichen Frau noch bei der nämlichen Geliebten aufhalte, sondern mich abgeschieden der mathematischen Forschung widme, welche, wenn wir schließlich nochmals (3) betrachten, weder die Frau noch die Geliebte ist, deren Abwesenheit ich mir gewitzt erschlichen habe.«

Fr. Equal: »Zusammenfassend lässt sich also sagen, wenn es auch mir erlaubt ist, Bezug auf verschiedene Universen zu nehmen, dass Frauen von einem Mathematiker lediglich zur Lebensverlängerung genutzt, für Experimente missbraucht oder schändlich allein gelassen werden, es für sie demnach nicht von Wert ist, sich auf einen Mathematiker einzulassen?«

Hr. Nox: »Dies scheint mir doch eine recht starke Verallgemeinerung zu sein, die den eben geäußerten feinen Witz völlig verkennt. Es ist vielmehr so, dass es ein Weibchen mit einem männlichen Mathematiker recht gemütlich haben kann, und das aus zumindest drei Gründen:

i) Wenn immer es zu einem Streit, der für sich genommen schon sehr unwahrscheinlich ist, da einem Mathematiker nicht nach Streiten, sondern nach Argumentieren der Sinn steht, kommen sollte, muss sie nur eine von zwei möglichen Alternativen anwenden, um sofort für Ruhe zu sorgen: Entweder, sie liefert ein Argument, dem er nicht widersprechen kann, oder sie fragt ihn, ob er denn beweisen könne, ob der Umfang eines den Einheitskreis umschreibenden regelmäßigen n-Ecks für n nach unendlich auch wirklich gegen den doppelten Wert der Kreiszahl strebt. Dem wird er sich nicht entziehen können.

ii) Ein Mathematiker ist es gewohnt, sich stunden-, tage-, gar wochenlang mit dem Beweis einer Aussage zu beschäftigen, die dem Rest der Welt entweder gleichgültig oder als trivial stimmig bekannt ist, und das nicht etwa, weil das für ihn von besonderem Nutzen wäre, sondern nur, weil es ihn interessiert. Dies bedeutet, dass er sich ohne Murren daran setzen wird, ein Projekt umzusetzen, von dessen Interesse ihn seine Frau überzeugt hat, sei es die Frage nach der optimalen Ordnung in der Küche, die Herausforderung, ein romantisches Picknick am Strand zu organisieren, oder die Vermutung, er könne gewiss nicht eine halbe Stunde lang massieren, ohne dabei anzufangen, auf ihrem Rücken Zahlen oder andere mathematische Symbole zu zeichnen.

iii) Mathematiker beschäftigen sich nur mit Dingen, die sie auch wirklich interessieren, das aber mit aller Hin-, ja bis zur völligen Selbstaufgabe. Dabei interessieren sie sich nur für Probleme, die sie noch nicht gelöst haben, wobei eine zumindest theoretische Lösung schon vollkommen ausrechend ist, oft auch nur das Wissen, dass eine Lösung existiert. Was nun aber könnte unlösbarer sein als die Frage, wie man einen geliebten, zudem weiblichen Menschen glücklich macht? Da es unbestreitbar schwerer ist, den Beweis der Nichtexistenz einer Lösung zu führen als ein Beispiel anzugeben, wie dies möglich ist, wird sich der Mathematiker, sobald er sich einmal die Liebe eingestanden hat, daran machen, mit allem Eifer einer Algorithmus auszutüfteln, der die Frau an seiner Seite fast-sicher zum Lächeln bringt.«

Fr. Equal: »Ich danke Ihnen für das Gespräch und verabschiede mich mit einem fröhlichen 1 + 1 = 0.«

Anm. d. Red.: Es folgte nicht etwa ein wütender Aufschrei, sondern eine ausführliche Darlegung, in welchen mathematischen Systemen die Gleichung 1 + 1 = 0 ihre Richtigkeit hat und was alles daraus folgt, wenn sie gilt oder nicht gilt. Da wir das Interview mündlich geführt haben, sehen wir uns leider nicht in der Lage, all die mathematischen Fachtermina und Symbole korrekt abzudrucken. Wir haben versucht, dem Redeschwall in halber Geschwindigkeit auf den Zahn zu fühlen, doch es dreht sich uns immer noch der Kopf.

Montag, 23. März 2015

Sie schauen sich an

Welche Ausgänge sind möglich, wenn zwei Personen beisammen stehen? Man kann nicht das exakte Ergebnis vorhersagen, das ist klar, aber doch drei Möglichkeiten klassifizieren: Beide wollen nicht mehr voneinander als Freundschaft; der eine möchte weit mehr als der andere; beide sind sich in ihrem romantischen Sinnen einig. Dabei ist die zweite Variante nicht symmetrisch, weswegen der Vollständigkeit halber zwei Möglichkeiten betrachtet werden müssen.

Um weitere Unterfälle in der folgenden Klassifikation zu vermeiden, war es nützlich, neue Personalpronomen der dritten Person Singular einzuführen, die nicht mehr geschlechtsspezifisch, aber unterscheidbar sind. Um – ganz entgegen meiner Art – Verwirrung vorzubeugen, sei hier eine Übersicht gegeben:


Nominativ er sie es se rei
Genitiv seiner ihrer seiner reser hiener
Dativ ihm ihr ihn sem reim
Akkusativ ihn sie es sen rein

Nun aber zu den gesammelten Kleinigkeiten im Spiel der Möglichkeiten.

November 2013


I Sie schauen sich an …


… und beide denken, etwas im Auge des anderen schimmern zu sehen, ein Stück der Seele, der geheimen Wünsche.
»Es wäre gut möglich«, denkt rei sich, »dass se mehr in mir sieht als lediglich einen Freund.«
Se setzt hiene Gedanken fort: »Schließlich verbringen wir viel Zeit miteinander, haben einiges zu lachen und … es fühlt sich einfach gut an.«
»Doch!«, und das denken sie gemeinsam, »das ist alles.«


Eine Woche sehen sie sich nicht, dann zufällig auf dem Weihnachtsmarkt; jeweils in Begleitung einer anderen Person. Unsicher schauen sie sich an, dann greifen sie gleichzeitig die Hand ihres nebenstehenden Partners – und lächeln erleichtert.




IIa Sie schauen sich an …


… und rei lässt hienen Blick sprunghaft über rese glückliche Mimik huschen: leuchtende Augen, ein seliges Grinsen, eine Stirn ganz ohne Falten.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, fällt aus reim heraus, gefolgt von einer Ausrede, nach der rei verschwindet.
Se freilig bemerkt nichts, sondern interpretiert alles zurecht: Wenn rei sich nicht meldet, ist rei beschäftigt, wenn rei ausnahmsweise eine gute Nacht wünscht, geschieht dies von Herzen, und wenn rei vom Spaß mit anderen berichtet, so meint rei sen.
So verwundert es nicht, dass se eines Tages mit frohestem Sinne zu reim läuft und von einem Deus ex Machina getötet wird.




IIb Sie schauen sich an …


… und rei beschließt, hiene Gefühle nicht länger verbergen zu können. Dies ist hien Moment!
Der Kuss geschieht spontan, hiene Erklärung ist vorbereitet und folgt prompt:
  1. »Der Mensch ist ein soziales Wesen, selbst Introvertierte wie du brauchen einen Partner. 
  2. Wir verstehen uns, du gehst mit mir kein großes Risiko ein. 
  3. Durch gemeinsames Kochen können wir unsere Gesamtkosten senken. 
  4. Eine Beziehung nimmt dir keine kostbare Zeit, denn durch gesteigertes Wohlbefinden wirst du leistungsfähiger.«
Se nickt. »Das klingt durchdacht und ich gebe dir völlig recht.«
»Also lassen wir es auf einen Versuch ankommen?«
»Das wäre zwar schön, aber nein. So funktionieren Gefühle nicht.«




III Sie schauen sich an …


… und verharren kurze Zeit. »Es wäre doch schön«, denken sie, »wenn wir uns öfter in die Augen sehen könnten«, und dann überkommen sie Zweifel.
Wie soll se rein einschätzen? So viele Variablen! Könnte rei nicht die Initiative ergreifen? Se selbst hat doch genügend Anzeichen reser Zuneigung gegeben.
Rei hienerseits kennt mindestens zwei Geschichten, in denen unbedachtes Handeln in die Hose ging. Würde rei nur flirten, wäre es ganz unproblematisch: ginge es schief, wäre es egal. Für solche Spielchen allerdings ist se zu wichtig.
So grübeln beide, sagen nichts und blicken sich in die Augen. Drei Sekunden, zwei Minuten, eine Ewigkeit.

Bekennerschreiben

Wie verfasst ein Mathematiker einen Liebesbrief – oder einen Brief, der zumindest bei den meisten Personen in solch einer Situation zu einem Liebesbrief geworden wäre? Gelingt es ihm, genügend Gefühl gegen die formale Logik zu erkämpfen, oder verfasst er selbst den besten Grund dafür, für das Geschlecht von Interesse eben nicht von Interesse zu sein? Wie positioniert er sich, um seine ihm selbst nicht gänzlich vertrauten Gefühle zu umschreiben,  andererseits aber  seinen eigenen Charakter nicht völlig zu verleugnen?

Dies hier ist mein Versuch, den ich per Mail verschickte (nicht, weil mir die persönlichere Handschrift zu anstrengend gewesen wäre, wohl aber, weil sie mir für jenen Moment, auch in Anbetracht der sonstigen Kommunikation mit dem Empfänger, noch zu persönlich erschien).

10. September 2013



Bekennerschreiben


’n Abend, Juli :)


jetzt kommt
’s, und um es kurz zu machen: Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Seit ich dich das erste Mal gesehen habe, denke ich in beinahe jeder freien Sekunde an dich und lächle dabei vor mich hin. Das ist soweit ein schönes Gefühl, aber letzten Endes doch recht unbefriedigend.


Wirklich wahr, ich kann es selbst kaum verstehen. Um genauer zu sein: Du gehst mir nicht mehr aus dem Herzen, wenn man dort für den Moment einmal die Gefühle verorten möchte. Mein Kopf beäugt das Ganze eher kritisch, sieht dich zurzeit als nette Bekanntschaft an und möchte dich erstmal näher kennen lernen 
aber er besitzt da scheinbar kein allzu großes Mitspracherecht.

Er hat sich das jetzt einen guten Monat lang angeschaut, und er meint, dass mein Herz in dir eine ziemlich sympathische (natürliche, kluge, hübsche) Person sieht und sich von dieser Meinung nicht abbringen lässt, ganz egal, wie er argumentiert. Diese Zuneigung scheint sogar mit der Zeit noch stärker zu werden 
getreu dem Motto: Was nicht ist, kann ja noch werden.

Infolgedessen sieht er sich in einer missligen Lage. Normalerweise darf nämlich er entscheiden, wie ich meinen Tag verbringe
nur diesmal (und das dürfte allen Ernstes in diesem Ausmaß das erste Mal sein) hängt mein Herz so dermaßen am Haken, dass er machtlos ist und nur noch ein wenig moderieren darf.

Immerhin: Diese Worte hier bringt er zustande, ohne sich gänzlich von den Gefühlen treiben zu lassen. Seiner Ansicht nach ist die Situation in meinem Körper festgefahren, aber nicht unlösbar. Doch braucht es dazu ein wenig Einfluss von außen, sonst läuft hier alles in einer Dauerschleife.


Die Frage ist also, ganz klassisch, doch etwas abgewandelt: Hat mein Herz eine Chance, seinen Willen durchzusetzen und mit dir auszugehen?
[ ] Ja

[ ] Nein

[ ] Vielleicht


Mit den ersten beiden Antworten wäre mein Kopf (und damit auch ich) zufrieden. Mit ihnen kann er arbeiten und die richtigen Weichen stellen, um mein Herz entsprechend zu formen. Bei der letzten Antwort wäre indes eine kurze Erläuterung hilfreich, um sie näher einzuordnen.


Damit sollte ich es lieber belassen, auch wenn dieser Text noch recht ich-bezogen und gefühllos ist. Mein armes Herz klopft schon ganz heftig ob dieser direkten Anfrage. Wenn es nach ihm ginge, würde ich dir noch ewig aus der Ferne hinterhersinnen, aber mir ist abschließend kein vernünftiger Grund eingefallen, weiterhin zu schweigen.


Ich bin gespannt, wie du nun reagierst, Menschenkenntnis ist keine meiner Gaben. ^^' Du bist solche Avancen sicherlich gewohnt, da mache ich mir nichts vor, aber wenn ich nun anfange, mir mögliche Reaktionen und Wahrscheinlichkeiten auszudenken, liege ich erfahrungsgemäß falsch.


Bringen wir dies also zu einem raschen Ende: Ich freu mich von dir zu hören, wenn du die Zeit für eine Antwort findest. Wie sie auch lauten sollte, ich hab dich lieb. :)


Mit den besten Grüßen von Herz, Kopf und mir ^.^ 


Zwei Dinge möchte ich noch anmerken:
  • Der Text wurde bis auf eine Namensabänderung und das Einfügen typographisch korrekter Apostrophe im Original wiedergegeben. Insbesondere die Smileys, welche ich als vortreffliche Möglichkeit erachte, den mit ihrer Bedeutung Vertrauten in Kürze viel zu sagen, wurden übernommen. Der abschließende Smiley mag dabei zu fröhlich und wenig gewagt erscheinen, doch fehlt hier eine entscheidende Information: in manchem Kontext deutet er einen Kuss an.
  • Der Brief führte, so viel sei verraten, zu einem sofortigen Korb. Allerdings bin ich Juli – so habe ich sie hier genannt – dankbar, dass sie ehrlich mit mir war und mich nicht, wie andere das zu tun pflegen, ausgenutzt und bei voller Fahrt aus dem Auto geschmissen hat. So gesehen bin ich mit dem Korb zufrieden, den er enthielt neue Hoffnung in die Frauenwelt.

Canopus

Diese Realität entsprang einer Überlegung zu Zeitreisen und ihren kleinen Abwegigkeiten, entwickelte sich allerdings im Schaffensprozess in eine etwas andere Richtung, welche ich im Zuge der Überarbeitung wiederum änderte. Bemerkenswert bleibt, dass Herr Mary über seinen Vornamen informiert ist, aber wohl auch nur, weil dieser für das Funktionieren der Geschichte, abseits von einem launigen Zusammenhang, unabdinglich ist. (Freilich hätte man statt eines Vornamens auch Spitznamen wählen können und für jeden, der Herrn Mary lieber mononomenial in Erinnerung behalten möchte, scheint diese Prämisse eine passable Abänderung der Geschichte zu implizieren.)

Die Fakten um Alpha Carinae (abzüglich des interessanten Effekts, der sich in dieser Geschichte einstellt) sind allesamt nachzulesen, wenn man ein wenig sucht, und Details über unbekannte Sterne zu erfahren, kann so schlecht nicht sein.

01. bis 03. Februar 2014


Canopus




Selten gelingt es einem Astronomen, das physikalische Weltbild ins Wanken zu bringen, und noch viel seltener wird dieses durch einen solchen zum Einsturz gebracht. Das Schauspiel aber, das mit ungläubigen Augen durch ein Teleskop auf einer fernen Bergspitze Südafrikas beobachtet wurde, hatte überaus gute Aussichten, zu solch einem Ereignis zu führen.

Alpha Carinae war alles andere als gewöhnlich – heller als die meisten anderen Sterne des Nachthimmels, in seinen Eigenschaften kaum verstanden und so heiß, dass ein Mensch selbst in Entfernung des Plutos noch verkocht wäre. An diesem Abend sprengte er jedoch alle Maßstäbe des Ungewöhnlichen, indem seine Erscheinung davon kündete, dass er vor rund dreihundert Jahren … nun, man glaubt es kaum. Man muss es gesehen haben:

Ein gleißender, blau schimmernder Lichtpunkt, umgeben von Schwärze und einigen funzelnden Freunden. Keine sonderbaren Bewegungen, konstante Größe, reguläres Spektrum. Keine Anzeichen irgendeiner Aktion – bis sich der Stern langsam in die Breite zog, noch ein wenig weiter, das Stadium der Mitose durchlief und schließlich nach vollendeter Cytokinese aus zwei weit weniger 
leuchtstarken Gasriesen bestand, die – und das sollte man auf Erden erst nach einigen Tagen der Beobachtung erkennen – behäbig umeinander kreisten.

Kleinere Eruptionen, wenn sie auch im Teleskop nicht sichtbar waren, stellten keine Besonderheit dar, doch ein Stern, der sich in völliger Verachtung der Gravitation zerteilte – das sollten die Physiker einmal erklären!



Einige Tage später saßen sie überall auf der Welt verteilt vor den Aufzeichnungen des Ereignisses, studierten jede einzelne Sekunde, die in Fotos zerteilt an den Wänden hing, und stellten nach unzähligen Tassen schwarzen Gesöffs wortreich, doch einsichtig fest, dass eine Theorie zur Erklärung der Causa in weiter Ferne lag, wohl noch jenseits von Alpha Carinae.

In einem dieser Grüppchen fand sich auch Herr Mary wieder, der seit seiner Geburt eine wundersame Verbindung mit diesem Stern teilte und nun still und beständig alles daran setzte, die Ehre der Physik zu retten. In einem angemessen großen Notizbuch hatte er all die Vorschläge gesammelt, die seine Kollegen zum Besten gaben, und fein säuberlich dahinter notiert, wieso die formulierte Erklärung nicht der Wirklichkeit entsprechen konnte. Mit der Zeit kristallisierten sich drei Hauptgruppen halbwegs vernünftiger Argumente rund um Hyperraumsingularitäten, Quantenfluktuationen und extraterrestrische 
Wesenheiten heraus, die von einer handvoll sporadischer, jedoch genialer Ideen und von viel zu vielen einfältigen Schnellschüssen flankiert wurden. Einer von der letzten Sorte stammte von Mary selbst und als einziger war er noch nicht entkräftet worden:

»Womöglich gibt es gar keine physikalische Erklärung.«

Seine Kollegen hatten kurz gestutzt und dann mitleidig den Kopf geschüttelt. Das physikalische Wissen der Menschheit konnte nicht jedes Phänomen erklären – aber ein Physiker, der daran zweifelte, dass die Physik als reine Wissenschaft die Welt in voller Gänze zu erklären wusste, war ein Unikat.

»Dann lasst es mich präzisieren«, hatte Mary daraufhin gemeint. »Womöglich gibt es keine Erklärung, die mit der Physik unserer Welt verträglich ist.«

Damit wollte er freilich nicht plump auf einen Gott zurückgreifen, dessen Werk per se nicht nachvollziehbar und damit auch nicht zu hinterfragen war, denn ein Hirn, das war zu nutzen – aber möglicherweise …

Er behielt weitere Gedanken für sich und ignorierte die flachen Witze, die über ihn gerissen wurden. In dieser Gruppe würde er keine Ruhe mehr finden, das schien sicher, also nahm er sein Notizbuch und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück. Dieses würde er, außer zu klar definierten, überaus lebensnotwendigen Zweckmäßigkeiten, nicht mehr verlassen, bis sein Plan in die Tat umgesetzt oder er von dessen Unmöglichkeit überzeugt war. Schwer zu formulieren war dieser mithin nicht: »Angenommen, es gebe eine Erklärung für das Sternteilungsphänomen, die mit der irdischen Physik kompatibel ist – führe dies zu einem abschließenden Widerspruch.« das Problem dabei war die Beweisführung. Einen Widerspruch in einer Erklärung zu finden, die noch niemand geäußert hat und die vielleicht nie jemand äußern wird, scheint irrsinnig – doch nicht irrsinniger als ein entzweispringender Stern.

So nahm sich Mary des Problems guten Mutes an. Zuerst fegte er die Schnellschüsse beiseite, dann entledigte er sich der drei Hauptgruppen, wobei er noch zwei weitere entdeckte und mit einiger Mühe verwarf, und schließlich stand er vor der Herausforderung, jede andere Idee, die sich nicht auf eines dieser fünf Argumente stützte, ad absurdum zu führen. – Nach zwei Wochen setzte er den abschließenden Punkt.



Über Herrn Mary erstreckte sich der freie, klare Nachthimmel, an dem Alpha Carinae, der zu den Südsternen gehörte, nicht zu sehen war. Auch war er bei Weitem nicht der größte oder hellste Stern: im Sternbild des Großen Hundes prangte Sirius, der hellste Stern am Nachthimmel, doppelt so grell, und im selben Sternbild versteckte sich auch einer der mächtigsten Sterne, dessen Erscheinung jedwedem Vergleich spottete, vom Durchmesser dreißigmal so groß wie er, von unserer Sonne bis zum Saturn reichend, und doch so unbedeutend für uns, dass er lediglich mit dem Kürzel VY bedacht wurde. Und doch … Marys Eltern waren so fasziniert von Alpha Carinae gewesen, dass sie seinen Namen auf ihr Kind übertrugen, welches diesen als Geheimnis trug: Canopus. Welch ein Zufall, dass gerade dieser Stern nun so sehr in sein Leben trat.

Am nächsten Morgen würde Herr Mary der Öffentlichkeit präsentieren, was er gefunden hatte, und damit die physikalische Welt ins Chaos stürzen. Es war nicht möglich, den Kosmos aus sich selbst heraus zu erklären – ohne eine äußere Macht war der Mensch verloren. In dieser stillen, menschenleeren Nacht nun wollte er nochmals in sich gehen und die Argumente rekapitulieren – und zugleich auch diesem Äußeren die Möglichkeit geben, in seinem Sinne einzugreifen.

»Wenn es dir nicht passt, erkannt zu werden«, rief Mary schallend zu den Sternen, »so richte mich jetzt!«

»Nein, das wird nicht nötig sein«, erklang es hinter ihm alt und kratzig. »Noch bin ich ja da.«

Obwohl er mit einer Reaktion gerechnet hatte freilich mit einer des Himmels entfleuchte Mary ein spitzer Schrei: »Huach!«, und alle seine Nackenhaare stellten sich auf.

»Nachdem wir uns vorgestellt haben, möchte ich Sie bitten, ihre Erkenntnis für sich zu behalten«, fuhr der Fremde ruhig fort. »Wir benötigen die Erkenntnis, die ihre Kollegen entsinnen, um unsere eigenen Probleme zu lösen.«

Währenddessen dreht sich Mary langsam und wortlos um, bis er einem fremden Wesen in die Augen sah, das nach einem ganz gewöhnlichen Menschen aussah. »Sie sind ein Mensch.«

Der Fremde sah kurz an sich herab. »Dies ist korrekt. Können wir nun mit den wichtigen …«

»Nur stammen Sie nicht aus meiner Raumzeit, nicht wahr?«

»Auch das ist richtig, verehrter Herr, doch wen interessiert …?«

»Ich bin Physiker hier am Institut«, beeilte sich Mary zu erklären und schüttelte dem Fremden die Hand. »Mein Name ist Mary, mit Vorna…«

»Guter Mann!« Unwirsch stieß er ihn von sich weg. »Nun behalten Sie die Nerven und hören Sie mir zu!«

Da es Mary in der Seele brannte, noch mehr zu reden, hielt er sich unter dem wohlgesonnen Blick des Fremden die Hand vor den Mund. Es schien wirklich wichtig zu sein.

»Unsere Wissenschaftler wurden vor einigen Jahrzehnten mit einem physikalischen Problem konfrontiert, das sich jeder unserer Erklärungen entzog. Wir forschten Jahr um Jahr und kamen doch auf keinen grünen Zweig. Schließlich entwickelten wir eine Möglichkeit, Raum und Zeit zu überwinden und die Entwicklung einer anderen Menschheit zu höherer Reife zu beobachten.«

»Das klingt ohne Zweifel fantastisch, doch was hat dies nun mit mir zu tun?«, wagte Mary eine Frage.

Der Fremde seufzte über diese jugendhafte Einfältigkeit. »Zeitreisen sind nicht nach Belieben möglich und die notwendigen Berechnungen und erst recht die Reise selbst bedürfen einer immensen Menge Energie. Es war ein glücklicher Zufall, eine Realität gefunden zu haben, in der diese völlig abwegige Sternteilung ebenso wie bei uns auftrat. Ihr sollt nun darüber nachdenken, damit wir diejenige, die in unserer Welt vonstatten ging, verstehen können. Damals, vor einigen Jahrzehnten, bewies bei uns ein junger Herr Euren Namens die Unmöglichkeit des Verständnisses und nahm damit unseren Wissenschaftlern jede Hoffnung, doch noch einen Weg an seiner Logik vorbei zu finden. In dieser Welt soll dies nicht geschehen.«

»Und nun?« Was wurde von ihm erwartet? »Soll ich der Wahrheit absprechen, nur um der Menschheit die Chance auf eine goldene Zukunft zu lassen?«

Der Fremde nickte. »Dies wäre die einfachste Methode.«

»Das wird nicht möglich sein – und nun entschuldigen Sie mich.« Erbost schritt Mary an ihm vorbei und blickte geradewegs in die Mündung einer Waffe, die seinen kläglichen Fluchtversuch unterband.

Wie aus dem Nichts waren drei Soldaten in dunklen Kampfanzügen erschienen, die Herrn Mary umstellten. »Sollen wir ihn gleich umlegen, Admiral Canopus?«

Der Fremde hob gebietend die Hand. Acht Sekunden sollten Mary genügen, um den letzten, wichtigen Zusammenhang zu verstehen und seine lähmende Angst abzuschütteln. »Es bleibt wohl keine andere Wahl, als den gesetzlosen Weg zu beschreiten. Zwischen dem Wohl der Welt und der Wahrheit lässt sich leicht entscheiden.« Mit einem Lächeln wandte er sich an Mary. »Sie sollten sich ducken, wertes Ich.«

Alles zu seiner Zeit

Ein Einhunderter zum Thema »abhängen«, nicht nur im wörtlichen und physikalischen Sinne, sondern auch philosophisch: Wovon hängt es ab, eine Idee zu denken? Sind viele dazu in der Lage oder vergeben wir unter Umständen eine einmalige Chance, wenn wir uns einen anderen Zeitvertreib suchen oder ihm unterworfen sind?

01. und 02. April 2013


Alles zu seiner Zeit

Die beiden traten an diesem Tag wie gewohnt paarweise auf und
betrachteten den Himmel.

Felap: »Wer hätte gedacht, dass die Sonne noch einmal so kräftig
strahlt?
«
Mabu: »Man vergisst ganz, auf der Erde verharren zu müssen, und
möchte entfliehen.
«
Felap: »Dennoch zieht es mich zu ihr hin.«
Mabu: »Und Mutter Erde ist ihrerseits an uns gebunden.«
Felap: »Ein wenig, das stimmt, doch lasse ich mich nicht aus der
Ruhe bringen.
«
Mabu: »Ganz recht, wir sind Freigeister, was kümmern uns
Gesetze?
«

So redeten sie noch ein Weilchen, bis es Nacht wurde und Isaac Newton ohne Beule und Idee seinen Platz verließ.

Jenseits der Vernunft

Diese Geschichte entstand zum Thema »Niemand glaubt mir« und ihrem ursprünglichen Titel »Reine Logik« gemäß stand ich zuerst vor dem Dilemma, eine Situation zu erschaffen, in der wirklich niemand (rational) glauben möchte, was geäußert wird. Es wäre zu einfach gewesen, eine offensichtliche Lüge zu platzieren, also blieb mir nur der Abstieg ins Reich der Wahrscheinlichkeiten, die einem (freilich nicht diskret messbaren) Umstand nur fast-sicher die Wahrheit absprechen können. Was damit weithin nachvollziehbar erscheint, kann sich dennoch als falsch herausstellen: Jenseits der Vernunft liegt die reine Logik, die sich auch der unwahrscheinlichsten Sonderfälle annimmt und letztlich, gänzlich unvermutet, zu einer mathematischen Liebesbekundung führt, wie sie noch nie gehört wurde.

In den Worten von Sir Arthur Conan Doyle:

»Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das, was übrig bleibt, die Wahrheit, wie unwahrscheinlich sie auch ist.«


(Ein Spruch, der auch zu Canopus passt.) 

Februar und März 2013


Jenseits der Vernunft



Irritiert ließ sich 38899 mit festen, eindimensionalen Seilen an den Stuhl fesseln. Er hatte seiner Geliebten zwar versprochen, jedwede Prozedur über sich ergehen zu lassen, aber damit hatte er nicht gerechnet. »Doktor, ich schwöre«, versuchte er es nochmals. »Mich verlassen nur wahre Worte!«

Der Doktor, ein in Alter ergrauter Kreis, schmunzelte vor sich hin und wies die unreifen Ellipsen an, fortzufahren. »Herr 0568, Sie wissen, in welch einer Welt wir leben. Bloße Behauptungen sind nichts wert, wir brauchen Beweise.«

»Aber wie sollte es anders sein? Ich liebe sie!«

Der Kreis schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Dann haben Sie doch nichts zu befürchten, oder?«

Davon konnte 38899 mit Wahrscheinlichkeit 1 ausgehen, völlig sicher war er sich dennoch nicht. Doch er nickte schicksalsergeben. »Also gut, starten Sie die Maschine.«

Dichter Rauch quoll langsam in die Kugel, in der sie sich aufhielten, und das grausige Quietschen einer schlecht geölten Apparatur schmerzte in den Ohren. Als auch noch grelle Blitze durch den Raum zuckten, lachte der Doktor irre los. »Ich liebe meinen Beruf!«

38899 verstand dessen Freude nicht im Geringsten, aber so waren sie, die Formen. Ein wenig verrückt.

»Nun antworten Sie, 0568, die Frage kennen Sie schon!«, schrie da der Kreis und rollte wie wild herum.

Die Zahl verscheuchte den Frosch aus ihrem Hals und sprach so ruhig und besonnen wie möglich: »Ich liebe Fräulein 11081 8941 und ich bin ihr niemals fremdgegangen.«

»Ausgezeichnet, junger Freund, Sie haben es vollbracht!«, schrie der Doktor, drehte sich enthusiastisch um den eigenen Mittelpunkt und fiel vor Freude flach zu Boden. »Sie haben es vollbracht«, wiederholte er leise kichernd. »Sie haben es … vollbracht.«


Zwei Stunden später saß 38899 in einer anderen Kugel, die hoch oben über der Stadt angebracht war. Der Ausblick über all die Viertel und Achtel reizte ihn jedoch nicht so sehr wie der Anblick seiner geliebten 11081, die auf der anderen Seite saß, flankiert von zwei uniformierten Parallelen. Solange die Gefahr einer Falschaussage im Raum stand, war es so am besten. Ordnung musste sein, dem stimmte sogar 38899 zu. Dies hielt ihn freilich nicht davon ab, ihr einen stummen Kuss zuzuwerfen.

»Wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten darf«, durchschnitt da die Stimme eines Epsilons den Raum. »Wir haben uns heute zusammengefunden, um die Liebe des Herrn 0568 zu ergründen. In Zuge dessen verlesen wir nun die zu Protokoll gegebenen Aussagen.«

Schlagartig kehrte Stille unter den Zahlen und Formen ein. Eine dicke Menge mit genügend Elementen, um sich um solcherlei Vorschriften keine Sorgen machen zu müssen, redete dennoch weiter und ließ ihre Lakaien mitschreiben.

»Herr 0568 tätigte Aussage A: ›Ich liebe Fräulein 11081 8941 und ich bin ihr niemals fremdgegangen‹; ein Vertreter der hochverehrten Menge Z gab die folgende Aussage B zu Protokoll: ›Dies ist eine Lüge, er liebt sie nicht‹; und eine namentlich nicht näher bekannte und heute nicht anwesende Variable gab schriftlich Aussage C an: ›38899 0568 hat mit mir letzten Sinus eine lustvolle Nacht vollbracht.‹«

Es fiel 38899 schwer, bei diesen abenteuerlichen Falschaussagen Ruhe zu bewahren, und auch 11081 schlug verschreckt die Hand vor den Mund, wenngleich sie nur glaubte und fest wünschte, es mit Falschaussagen zu tun zu haben. Zum Glück würde die Wahrheit nun ans Licht kommen, denn das Epsilon verlas das Ergebnis der Maschine, die, gesteuert vom Doktor, nachweislich keiner Lüge fähig war, doch dies stets ein wenig verklausuliert zum Besten gab: »Von diesen drei Aussagen ist genau eine falsch.«

Nachdenkliches Schweigen kehrte ein, sogar die dicke Menge strengte ihr Gehirn an, um etwas zu verstehen. Dabei war es wirklich leicht, wie es 38899 erschrocken in den Sinn kam: Da seine Worte ohne Zweifel der Wahrheit entsprachen, mussten diese lächerlichen Aussagen B und C beide falsch sein. Ein klarer Widerspruch zur Maschine und damit …«

Die Menge Z, der ein Berater gerade eben diese Schlussfolgerung eingeflüstert hatte, sprang auf und schrie: »Also hat dieser 0568 gelogen!« Mit einem breiten Grinsen schritt er zu der lieblichen 11081. »Es ist eindeutig! Er liebt Sie wirklich nicht, holde Maid. Dürfte ich nun die Gunst der Stunde ergreifen und um Ihre Hand anhalten?«

»Bitte … wie … das kann doch …« Sie stammelte sichtliche verstört und wandte sich von ihm ab. Wie konnte ihr das 38899 nur antun? Nach all den liebenden Worten, nach all der Zeit? Mit Tränen in den Augen suchte sie seinen Blick, doch er wich ihr aus.

Was sollte er auch tun? Er war sich absolut sicher, die Wahrheit gesagt zu haben. Aber die Maschine … die anderen Aussagen … Die hohe Null konnte nur auf eine Art und Weise entscheiden und mit ihrem Hammer sorgte sie für Ruhe. »Die Logik gibt uns eine eindeutige Lösung an die Hand. Herr 0568, Sie haben sich der Falschbehauptung zu verantworten, die Strafe dafür ist allgemein bekannt. Zwei Jahre in den gesetzlosen Gebieten der physikalischen Anstalt werden Sie sicher zur Vernunft bringen.«

»Nein, hohe Null!«, schrie er daraufhin.

»Ich höre wohl nicht recht, junger Mann! Bewahren Sie die Würde dieses Ortes!«

»Hohe Null! Ich habe nicht gelogen! Ich liebe 11081, das ist die Wahrheit! Ich liebe sie!«

»Machen Sie sich nicht lächerlich! Herr Doktor, bitte erklären Sie Herrn 0568 den Unterschied zwischen falsch und wahr.«

Der Kreis rollte kichernd herbei und freute sich auf das nun Kommende. »Die Angaben der Maschine sind mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit richtig, doch mag es durchaus sein, dass dies nicht reicht, um zu wissen. Es gibt … gewisse Lücken.«

»Herr Doktor?« Die hohe Null schien verwirrt, und mit ihr alle im Raum. Was mochte das bedeuten?

»Lassen Sie es mich erklären.« Er grinste über seine gesamte Peripherie. »Die Maschine wurde vor langer Zeit gebaut und nie ist ihr ein Fehler unterlaufen, man hat das überprüft und ab und zu die erhabene Unendlichkeit befragt. Was wir darüber vergessen haben: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Maschine richtig liegt, beträgt lediglich einhundert Prozent. Kennt man ihre Mechanismen – und ich bin mir durchaus sicher, dass Z über genügend Elemente verfügt, um sich dieses Wissen zu erkaufen – so kann man gewiss unter Zuhilfenahme geeigneter Variablen, Approximationen und Differentiale Aussagen erschaffen, die falsch sind, aber nicht als solche erkannt werden.«

Die Menge wollte empört dazwischenrufen, doch die hohe Null gebot Ruhe. »Erzählen Sie mehr, Doktor, wie können einhundert Prozent nicht genug sein?«

»Ganz einfach, hohe Null, ganz einfach. Beschauen Sie sich eine Kugel, die die Zahlen 1 und 2 enthält, und weisen sie eine Parallele an, wahllos eine Zahl herauszuholen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt sie ohne die 1 zurück?«

»Nun, doch mit fünfzig Prozent, möchte ich meinen. In einem von zwei Fällen.«

»Korrekt, und wenn die Zahlen 1 bis 10 vertreten sind, so haben wir es mit neunzig Prozent zu tun, bei 1 bis 8943 beispielsweise, womit das adrette Paar des Abends gemeinsam ohne Zweifel vertreten wäre, schon mit gigantischen neunundneunzigkommaperiodeneunachtachtachteinsachtnullsechsneunneun Prozent, womit der Vorteil der Ziffernschreibweise – wenn nicht gar der gemeinen Brüche – eindrucksvoll belegt wäre.« Er holte tief Luft und verlieh damit seinem Durchmesser die nötige Dominanz. »Wie Sie nun gewiss schon gesehen haben, nähert sich die Wahrscheinlichkeit recht schnell den hundert Prozent an, und diese wird in der Tat erreicht, wenn wir in der dann zugegeben recht großen Kugel alle Zahlen vereinen, die vom Wert, aber natürlich nicht vom Intellekt her, die 0 übertreffen. Und dennoch ist es ein Leichtes, mit der 1 zurückzukehren: es genügt, sie laut auszurufen.«

»Einhundert Prozent und dennoch nicht sicher, das leuchtet nun ein, Herr Doktor. Nur, was schlagen Sie vor, um hier noch Recht zu sprechen?«

Ein verwegenes Grinsen huschte über sein Gesicht. »Ich denke, es ist an der Zeit, die erhabene Unendlichkeit höchstselbst herbeizurufen, und zwar mit einer ganz offensichtlichen Falschaussage.« Es räusperte sich und hielt sich die Ohren zu, um nicht zu hören, was er da Abscheuliches von sich gab. Beinahe augenblicklich verspürten die Anwesenden eine leichte Druckwelle und die Unendlichkeit stand vor ihnen, in all ihrer wohlbekannten Pracht, glänzend und leuchtend – und ganz offensichtlich müde.

Sie gähnte herzhaft. »Was gibt es? Ich hörte etwas wahrlich Grauenhaftes.«

Der Kreis errötete dezent. »Es tut mir Leid, es ausgesprochen zu haben, eure Hoheit.«

»Was?« Sie lachte auf. »Nicht doch, Kreislein, solche Worte denken sich Schüler beinahe pausenlos, das lockt mich doch nicht hervor, schon gar nicht in meinem Alter. Aber hier, diese junge Liebe!« Sie betrachtete 11081 und 38899 mit einem bedauernden Blick. »Einfach tragisch, und ja, meine Junge, du darfst reden.«

38899 spielte nervös an seinen Bögen herum, solch einer Gestalt stand er noch nie gegenüber. »Erhabene Unendlichkeit … ich liebe sie.«

»Ja, ich weiß, das sagt man mir ständig«, scherzte die Unendlichkeit, »aber lass dich nicht beirren, mir ist bekannt, dass ich deiner Liebsten nicht das Wasser reichen kann.«

Er lächelte verlegen. »Ja, dem ist wohl so. Darum sagen Sie doch bitte, wie sehr die Maschine daneben liegt. Nicht nur eine Lüge gibt es, sondern sogar zwei.«

»Mein Junge, das wäre nicht richtig.« Die Unendlichkeit seufzte schwer und wandte sich an alle im Raum. »In der Tat ist es so, dass jede einzelne Aussage falsch ist.«

»Was?«, riefen 11081, 38899, Z und eine pflichtvergessene Parallele gleichzeitig. »Das kann nicht wahr sein!« Der Kreis indes freute sich, einer solchen Ausnahme beizuwohnen.

»Doch«, sprach die Unendlichkeit bestimmt. »Mathematisch mag alles mit rechten Dingen zugehen, aber in den Gefilden der Liebe gelangt die zweiwertige Logik rasch an ihre Grenzen.«

Das junge Fräulein wollte schon schluchzend den Raum verlassen, deutlicher konnte man ihr nicht sagen, dass ihre Beziehung am Ende war, doch 38899 sprang auf und hielt sie zurück. Er hatte verstanden.

»11081, lass mich bitte noch mindestens einmal das Wort an dich richten.«

Durch Tränen hindurch blickte sie ihn an. »Was bleibt mir übrig, du hast doch schon begonnen. Aber denke nicht, dass du mein Herz noch mehr brechen könntest.«

Er fasste zart ihre Hand und sah ihr fest in die Augen. »Liebste 11081, als ich sagte, ich würde dich lieben und dir nie fremdgegangen sein, war das selbstverständlich eine Lüge. Dies wäre so, als würde man sagen, Parallelen berührten sich nicht, ein Kreis sei nicht eckig und die Unendlichkeit dem Wert nach größer als 1. Mathematisch tadellos, ohne Frage, doch ohne Gefühl für die wahren Umstände. In der Liebe kann man sich dies nicht leisten, und so sage ich dir, wie es wirklich ist: Ich bin dir nicht nur nicht fremdgegangen, ich habe viel mehr nicht einmal eine einzige Sekunde daran gedacht, auch nur eine andere anzurühren. Und ich liebe dich nicht nur, wie ich viele zugleich lieben könnte.« Er trat vorsichtig zu ihr heran und sah, wie ihre Tränen dem Glück wichen und aus dem Augenwinkel, wie die Unendlichkeit bestätigend nickte. Und während sie sich einem Kuss asymptotisch annäherten, flüsterte er nur für sie hörbar: »11081, von allen Positiven und Negativen, von allen Rationalen und Irrationalen, von allen Infinitesimalen und Transzendenten im Land gilt meine Liebe allein nur dir.«


Man mag sich abschließend fragen, wieso der werte Kreis das Beispiel mit 8943 Zahlen in einer Kugel anführte, das doch recht willkürlich anmutet. Derer Gründe gibt zwei: Er hatte vorgehabt, dem Namen der holden 11081 entsprechend das Beispiel 8941 zu wählen, welches demnach wenig willkürlich gewesen wäre. Allerdings errechnete er schnell, dass der entstehende Prozentsatz eine Zahl mit Periode der Länge 2980 war. Diese aufzuzählen wäre um einiges aufwändiger gewesen als die obige mit einer Periodenlänge von gerade einmal 10. Der Vorteil der Bruchdarstellung, (100-100/8941)%, ist mit diesem Beispiel vor Augen wahrlich nicht von der Hand zu weisen.

Zusätzlich habe ich damals, bei der Erstveröffentlichung auf BookRix folgendes Lexikon hinzugefügt, das für ähnliche Werke (die es bislang nicht aus meiner Feder gibt) hilfreich sein könnte:

Jeder wird eine Theorie haben, welcher mathematische Fachterminus – ähnlich wie in Fabeln – welchem menschlichen Charakter zuzuschreiben ist. Hier ist meine, die freilich keinen Anspruch auf absolute Korrektheit erhebt. Dieses Gebiet ist Gegenstand aktueller Forschungen und wasserfeste Beweise wurden noch kaum formuliert.

Zahlen mit Vor- und Zunamen:
Leute wie du und ich, unterteilt in Bewohner verschiedener Bereiche. 11081 8941 und 38899 0568 gehören einer recht gehobenen Klasse an, sind sie doch Komplexe, Rationale, Ganzzahlige und Positive, können sich also mit vielen Bezeichnungen schmücken.
Wie von den Namen auf Eigenschaften wie etwa das Geschlecht geschlossen werden kann, wird derzeit untersucht. Man munkelt jedoch, dass all diese Ziffern nur codierte Buchstaben sind und somit in ihrer Gesamtheit einem menschlichen Namen entsprechen. A wird zu 1, J zu 0 und K wieder zu 1. Der Rest folgt analog, von der Zahl lässt sich jedoch nicht eindeutig auf den Namen schließen.

Formen:
Wissenschaftlich interessierte Zeitgenossen, die freilich stets nur ein Teilgebiet ihres Faches abdecken können, nie den gesamten Raum. Je mehr sie wissen, desto weniger Ecken zeigen sich, Dreiecke sind demnach recht simpel gestrickt. Man mag sich an ein gewisses Flächenland erinnern lassen.

Mengen:
Vertreter einer gehobenen Klasse, deren Einfluss man erkennt, wenn man ihre Elemente abzählt. Mengen mit unendlich vielen Elementen wie Z = {1, 2, 3, 4, …} können es sich leisten, beliebig hohe Beiträge auszugeben. Aber im Kopf haben sie leider nicht viel, sind ja nur ein paar Klammern, wenn man die Elemente weglässt.
Die leere Menge ist dabei die einzige Ausnahme, man kann sie schließlich auch anders schreiben. Da man aus ihr leicht alle Zahlen konstruieren kann (wie bekanntlich 3 = {{{{}},{}},{{}},{}}), wird sie auch als Schöpfer angebetet. Sie selbst sieht sich jedoch eher als Philosoph und läuft mit verklärtem Blick durch die Welt.

Parallelen:
Haben nicht viel mehr im Kopf, als schnurgerade jeder Vorgabe zu folgen; geeignet für alle Handlangerdienste und Berufe, bei denen man strikt Vorschriften beachten muss.

Infinitesimale:
Ziemlich kleine Zahlen, wie etwa das Epsilon. Sie fühlen sich in der Politik zuhause, in der Juristerei und ähnlichen Gebieten, da sie gelernt haben, ihr eigenes Ego zu unterdrücken und nur noch an die Allgemeinheit zu denken. Die höchste Steigerungsform ist

die Null:
Vor ihr sind alle gleich, sie macht keine Unterschiede. Egal, wie groß eine Zahl auch ist oder wie viele Elemente sie enthält: Wenn sich die Null auf sie stürzt, werden sie alle zu 1 exponenziert.

die Unendlichkeit:
Einfach nur unglaublich.